Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Vermietungsleistungen und individuell angepasste Pflegeleistungen, die ein Unternehmer aufgrund getrennter Verträge gegenüber Senioren im Rahmen einer Seniorenwohngemeinschaft erbringt, sind umsatzsteuerrechtlich nicht als einheitliche (steuerpflichtige) Leistung zu qualifizieren, sondern unterliegen als eigenständige, selbstständige Leistungen der gesonderten Beurteilung.
Sachverhalt
Der Pflegedienstleister betrieb in einem behindertengerecht umgebauten Einfamilienhaus eine Seniorenwohngemeinschaft für Demenzkranke. Er schloss mit 7 Senioren jeweils einen Mietvertrag über ein ausschließlich eigengenutztes Zimmer und Gemeinschaftsräume sowie entsprechend der individuellen Bedürfnisse einen schriftliche "Pflegevereinbarung". Eine rechtliche Verknüpfung zwischen Miet- und Pflegevereinbarung bestand nicht. Die Kosten für Pflege, Hauswirtschaft und Betreuung würden bei Pflegebedürftigkeit ganz oder teilweise von der Kranken- und Pflegeversicherung getragen. Kosten für Miete, Nebenkosten und Verpflegung gingen dagegen zu Lasten der Bewohner. Das Finanzamt behandelte die vom Steuerpflichtigen erbrachte Tätigkeit als eine einheitliche Leistung eigener Art für die die Steuerbefreiungen für Wohnraumvermietung bzw. ambulante Pflegedienstumsätze nicht in Frage komme.
Nach Auffassung des BFH handelt es sich im Urteilsfall jedoch um eigenständige, selbstständig zu beurteilende Leistungen. Insoweit ist die Vermietungsleistung steuerfrei nach § 4 Nr. 12 UStG und die individuell angepassten Pflegeleistung steuerfrei nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG 2004, jetzt § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchstabe d oder d UStG. Zwar standen die beiden erbrachten Leistungen insofern in einem Zusammenhang, als diese in einem für die Leistungsempfänger vorteilhaften räumlichen und organisatorischen Zusammenhang angeboten habe. Rechtlich wurden jedoch über beide Leistungen gesonderte Verträge ohne Verknüpfungen der beiden Leistungen abgeschlossen. Auch waren die Mieter nicht verpflichtet, auch die Pflege- oder andere Leistungen des Steuerpflichtigen in Anspruch zu nehmen. Besonders deutlich wird dies an den unterschiedlichen Kündigungsfristen und an der vertraglich gesonderten Entgeltvereinbarung. Auch war nach den tatsächlichen Verhältnissen das Wohnen der Mieter Hauptzweck der Mietleistung und nicht untergeordnet gegenüber den Pflegeleistungen.
Hinweis
Die Auffassung des BFH wird bei Altenwohnheimen durch die Verwaltung in Abschn. 4.16.4. Abs. 5 UStAE geteilt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 4.5.2011, XI R 35/10.