Leitsatz
Strafbefreiung nach § 7 StraBEG bzw. § 371 AO tritt nicht ein, wenn vor Eingang der entsprechenden Erklärung beim Finanzamt ein Amtsträger der Finanzbehörde in erkennbarer ernsthafter Absicht der angeordneten steuerlichen Prüfung erschienen ist. Der tatsächlichen Beginn von Ermittlungsmaßnahmen ist nicht erforderlich.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige erzielte Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Bei ihm ordnete das Finanzamt eine Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2002 an. Zwei Tage vor Prüfungsbeginn ging bei der Behörde ein Schreiben ein, in der der Steuerpflichtige bislang unversteuerte Einnahmen nachdeklarierte. Nach Beginn der Prüfung leitete das Finanzamt aufgrund dieser Selbstanzeige ein Steuerstrafverfahren ein und erließ eine ergänzende Prüfungsanordnung für 1998 und 1999. Die Mitteilung über die Einleitung des Strafverfahrens wie auch die "Prüfungsanordnung-Ergänzung" händigte die Prüferin dem Steuerpflichtigen persönlich iaus. Zugleich forderte sie für Montag von ihm die Ausgangsrechnungen für 1998 und 1999 an. Sonntags ging beim Finanzamt eine "Erklärung nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz" für 1993 bis 1999 ein, in dem unter der Rubrik "Lebenssachverhalt" für 1998 und 1999 bislang verschwiegene "Honorareinnahmen" aufgeführt waren. Das Finanzamt setzte für 1998 unter Berücksichtigung der nacherklärten Einnahmen die Einkommensteuer neu fest. Die hiergegen gerichtete Klage bliebt erfolglos.
Der Inhalt einer strafbefreienden Erklärung durfte nur zur Durchführung des Verfahrens nach dem StraBEG oder für Besteuerungszeiträume nach dem Jahr 2002 verwandt werden (§ 13 StraBEG). Für frühere Jahre unterliegt die Erklärung einem umfassenden Verwertungsverbot. Hier sah der BFH in der Nachmeldung von Einnahmen der Jahre 2000 ff. aber weder formal noch inhaltlich eine strafbefreiende Erklärung. Er wertete sie als Selbstanzeige (§ 371 AO). Auch während des zeitlichen Anwendungsbereichs des StraBEG bestand weiterhin die Möglichkeit einer Selbstanzeige. Die Wahl zwischen den beiden Alternativen lag allein beim Betroffenen, wobei die Umdeutung einer Selbstanzeige in eine strafbefreiende Erklärung wegen der speziellen inhaltlichen Voraussetzungen nicht möglich ist.
Straf- oder Bußgeldfreiheit tritt aufgrund einer strafbefreienden Erklärung oder einer Selbstanzeige nicht ein, soweit vor ihrem Eingang ein Amtsträger der Finanzbehörde bei dem Erklärenden zur steuerlichen Prüfung erschienen ist. Ein Erscheinen des Prüfers "zur steuerlichen Prüfung" setzt eine Prüfungsanordnung voraus. Nur soweit diese reicht, kann das Erscheinen des Prüfers die Strafbefreiung ausschließen. Bei einer ergänzenden Prüfungsanordnung muss sich das Erscheinen des Prüfers deshalb gerade (auch) auf die Prüfung des Gegenstands der ergänzenden Anordnung richten, um die Sperrwirkung auslösen zu können. Mit Übergabe der ergänzenden Prüfungsanordnung war die Prüferin im vorgenannten Sinne "erschienen". Denn sie hat dabei ihre Prüfungsabsicht durch eine entsprechende Erklärung oder durch schlüssiges Verhalten erkennbar zum Ausdruck gebracht. Zwar hätte die Übergabe der Prüfungsanordnung oder die Mitteilung des Prüfungstermins alleine hierfür noch nicht ausgereicht. Die Beamtin hat überdies den Steuerpflichtigen aufgefordert, bestimmte Unterlagen vorzulegen. Sie hat damit ihre Prüfungsabsicht kundgetan und darüber hinaus eine konkrete Aufforderung zur Mitwirkung umgesetzt und nicht nur eine spätere Prüfung angekündigt. Ein Prüfer, der den Steuerpflichtigen zur Vorlage von Unterlagen auffordert ist zur steuerlichen Prüfung erschienen. Dies genügt, um die Sperrwirkung nach § 7 StraBEG herbeizuführen. Zwar hat das BMF eine gegenteilige Auffassung vertreten. Derartige verwaltungsinterne Anweisungen binden das Gericht aber nicht, wenn und soweit sie das Gesetz fehlerhaft auslegen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 19.6.2007, VIII R 99/04.