Überraschende Gefahr

Eine während der Geschäftszeiten im Kundenbereich eines Bekleidungsgeschäfts geöffnete Fußbodenluke stellt eine überraschende Gefahrenquelle dar, auf die sich ein Kunde nicht einstellen muss. Daher kann ihm bei einem Sturz in den Schacht unter der Luke vollständiger Schadensersatz zustehen. Dies entschied jetzt das OLG Hamm in folgendem Fall:

Eine 66 Jahre alte Kundin hatte sich zum Einkauf in das beklagte Modehaus begeben. Im Gang zur Kasse befand sich ein Schacht im Boden mit den Maßen 2,11 m x 0,8 m, der in den darunter gelegenen Bügelkeller führte. Dessen Abdeckung stand offen. Weil sie zur Seite sah, wo sich eine Verkäuferin mit dem Geschäftsinhaber unterhielt, übersah die Kundin die offene Luke und stürzte in den Schacht. Sie erlitt diverse Verletzungen. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten hat den entstandenen Schaden lediglich zur Hälfte reguliert. Vor Gericht stritten die Parteien darüber, ob die Beklagte aufgrund eines Mitverschuldens der Kundin keine weitergehende Kostenerstattung schuldet. Während das Landgericht im erstinstanzlichen Urteil ein Mitverschulden in Höhe von 30 % angenommen hat, muss das Modehaus nach Meinung des OLG Hamm 100 % des Schadens erstatten.

Gravierende Verletzung der Sicherungspflicht

Ein Mitverschulden der Kundin sei, so der Senat, nicht feststellbar. Der Unfall habe sich in einem Ladenlokal ereignet, in welchem die Aufmerksamkeit der Kunden zielgerichtet durch die auf den Kleiderständern angebotenen Waren, Preisschilder und sonstige Hinweisschilder in Anspruch genommen und somit auch von anderen Dingen abgelenkt werde. In einem solchen Bekleidungsgeschäft müsse ein Kunde allenfalls mit herabgefallenen Kleidungsstücken rechnen, nicht jedoch mit einer während des Publikumsverkehrs geöffneten Bodenluke. Eine solche Luke sei eine so überraschende Gefahrenquelle, dass sie nur außerhalb der Geschäftszeiten geöffnet werden dürfe. So werde im Geschäftslokal der Beklagten nach den Angaben ihres Geschäftsführers auch üblicherweise verfahren.

Kein Mitverschulden

Jedenfalls trete ein etwaiges – geringes – Mitverschulden der Kundin hinter die gravierende Verkehrssicherungspflichtverletzung, die die Beklagte zu vertreten habe, zurück. Deswegen schulde die Beklagte vollständigen Schadensersatz.

(OLG Hamm, Urteil v. 19.1.2018, 9 U 86/17)

Dieser Inhalt ist unter anderem im WohnungsWirtschafts Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?