Leitsatz
Auch ein Architekt kann seine Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht betreiben, wenn er Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hinnimmt (Anschluss an BFH-Urteil vom 31.5. 2001, IV R 81/99, BStBl II 2002, S. 276 = INF 2001, S. 603).
Sachverhalt
Finanzamt und -gericht erkannten Verluste eines Architekten aus seiner Berufstätigkeit mit der Begründung nicht an, er sei ausweislich der zuvor – 14 Jahre lang – erwirtschafteten Verluste von insgesamt mehr als 230 000 DM ohne Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden. Den stark rückläufigen Einnahmen stünden gleichbleibend hohe Betriebsausgaben gegenüber. Personalkosten beruhten auf einem mit dem Sohn geschlossenen Arbeitsvertrag, dessen Durchführung zweifelhaft sei. Im Übrigen seien nicht unerhebliche Kosten des Privatbereichs als Betriebsausgaben geltend gemacht worden.
Entscheidung
Auch die Einkunftsart "selbständige Arbeit" i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG setzt Gewinnerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen voraus. Sie erfordert eine Prognose, ob der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer geeignet ist, einen Gewinn zu erzielen. Längere Verlustperioden in der Vergangenheit können dafür einen Anhaltspunkt bieten. Bei typischerweise mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen Tätigkeiten (z.B. Steuerberater- oder Rechtsanwaltskanzlei und wie hier Architekturbüro) führt allerdings eine – im Streitfall revisionsrechtlich bindend festgestellte – negative Gewinnprognose nur dann zur Annahme fehlender Gewinnerzielungsabsicht, wenn zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden. Entsprechende Feststellungen hat das FG im Streitfall nachzuholen. Dabei kann nach Auffassung des BFH für die Annahme fehlender Gewinnerzielungsabsicht sprechen, dass der Architekt kaum noch Einnahmen aus seiner Tätigkeit erzielte, die bisherigen Ausgaben für Raum, PKW, Telefon etc. aber deutlich höher lagen. Ebenso spricht dafür die Feststellung, dass er seinen Lebensunterhalt aus anderweitigen Einkünften bestreiten konnte.
Praxishinweis
Bei der Gewinnprognose ist zugunsten des Steuerpflichtigen stets daraus zu achten, dass Aufwendungen, die – wie Zahlungen aufgrund nicht anzuerkennender Angehörigenverträge – steuerlich den Gewinn nicht mindern, für die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht außer Ansatz zu lassen sind. Entsprechendes gilt für Gewinnminderungen, die auf der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen oder Bewertungsfreiheiten beruhen. Zumanderen sind Wertsteigerungen und stille Reserven, die meist erst bei Betriebsbeendigung realisiert werden sowie steuerbare, aber steuerbefreite Veräußerungsgewinne in die Prognoserechnung zugunsten des Steuerpflichtigen einzubeziehen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.09.2002, IV R 60/01