Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
Die "tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer" i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ist die Steuer, die bei zutreffender Beurteilung der Sach- und Rechtslage für diese Erwerbe festzusetzen gewesen wäre, und nicht die dafür wirklich festgesetzte Steuer.
Sachverhalt
K erhielt 1997 von ihrer Mutter einen Betrieb geschenkt (Vorerwerb).
Bei der Steuerfestsetzung wurden die Vergünstigungen des § 13a ErbStG verwehrt. 2002 wurde K Miterbin nach ihrer Mutter (Letzterwerb).
Das Finanzamt setzte hierfür gegen K wiederum Erbschaftsteuer fest. Bei der Zusammenrechnung der Erwerbe nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG berücksichtigte es § 13a ErbStG weiterhin nicht. Als tatsächlich zu entrichtende Steuer für den Vorerwerb zog das Finanzamt die Steuer laut im Schenkungsteuerbescheid ab, da diese höher war als die fiktive anrechenbare Steuer. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage teilweise statt.
Entscheidung
Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ist die Steuer abzuziehen, die bei zutreffender Beurteilung der Sach- und Rechtslage für den Vorerwerb festzusetzen gewesen wäre.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG werden mehrere Erwerbe von derselben Person innerhalb von 10 Jahren so zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe mit ihren früheren Werten zugerechnet werden.
Von der Steuer für den Gesamtbetrag wird die Steuer abgezogen, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der zur Zeit des letzten Erwerbs geltenden Vorschriften zu erheben gewesen wäre. Statt dieser fiktiven anrechenbaren Steuer ist nach § 14 Abs. 1 S. 3 ErbStG die "tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer" abzuziehen, wenn sie höher als die fiktive anrechenbare Steuer ist.
Die einzelnen Erwerbe unterliegen als selbstständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer. Aufgrund dieser Selbstständigkeit sind die in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG einzubeziehenden Vorerwerbe dem letzten Erwerb mit den ihnen (damals) zukommenden materiell-rechtlich zutreffenden Werten anzusetzen.
Dies gilt nach bisheriger Rechtsprechung bereits für die Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren "fiktiven Steuer" und nun auch für die "tatsächlich … zu entrichtende Steuer".
§ 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG soll zwar keine Korrekturmöglichkeit für Fehler eröffnen, die bei der Steuerfestsetzung für Vorerwerbe unterlaufen sind, sondern nur unbillige Folgen für Steuerpflichtige aufgrund zwischenzeitlicher, nachteiliger Änderungen vermeiden. Sind zwischen Vor- und Letzterwerb aber keine derartigen Änderungen eingetreten, muss die nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG berechnete abzuziehende Steuer der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abzuziehenden fiktiven Steuer entsprechen.
Link zur Entscheidung
BFH, 09.07.2009, II R 55/08