Leitsatz

In einem Sondereigentum, in dem nach einer Vereinbarung nur eine "Büroetage" betrieben werden darf, ist eine Einrichtung unzulässig, die stationäre Intensiv- und Beatmungsmaßnahmen erbringt.

 

Normenkette

BGB § 1004; WEG § 15 Abs. 1, § 5 Abs. 4 Satz 1

 

Das Problem

  1. In der Wohnungseigentumsanlage gibt es 9 Wohnungseigentumsrechte und 1 Teileigentum im Eigentum der N. N hat das Teileigentum an B vermietet. In der Gemeinschaftsordnung heißt es in Bezug auf das Teileigentum wie folgt:

    Miteigentumsanteil von 19.466/100.000 an dem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen im Erdgeschoss – Büroetage – nebst Keller (Teileigentum).

    Ferner heißt es:

    Dem jeweiligen Eigentümer des Teileigentums wird das Recht eingeräumt, die nicht zu Wohnzwecken dienenden Räume – Büroetage – jederzeit in Wohnungseigentum umzuwandeln, und zwar in ein oder mehrere Wohnungseigentumsrechte.

  2. Mieter B unterhält in den Räumlichkeiten eine Einrichtung zur Erbringung stationärer Intensiv- und Beatmungspflegemaßnahmen in Form einer Wohngemeinschaft für bis zu 4 Patienten. Die Räumlichkeiten sind 197 qm groß und bestehen gegenwärtig aus 4 Patientenzimmern, einer Küche, 2 Bädern und einem großen Wohn- und Aufenthaltsbereich. Neben den Patienten hält sich in den Räumlichkeiten rund um die Uhr eine Pflegekraft der B auf. Zudem erfolgen 2-mal wöchentlich Besuche der Patienten seitens eines Logopäden. Auch findet eine physiotherapeutische Behandlung der Patienten in den Räumlichkeiten durch Besuche von Physiotherapeuten statt. Etwa 80 % der Patienten sind auf einen Rollstuhl angewiesen.
  3. In ihrer Versammlung im September 2017 fassen die Wohnungseigentümer folgenden Beschluss:

    Die Wohnungseigentümer verleihen gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG der Wohnungseigentümergemeinschaft die Befugnis, die ihnen zustehenden Individualansprüche auf Unterlassung dieser zweckbestimmungswidrigen Nutzung der Teileigentumseinheit Nr. 10 als Intensiv- und Beatmungswohngemeinschaft außergerichtlich und gerichtlich im Sinne einer gesetzlichen Prozessstandschaft geltend zu machen.

  4. Anschließend erhebt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K gegen Mieter B Klage auf Unterlassung. Im Zuge des Klageverfahrens bringt B die in den Räumlichkeiten betreuten Patienten anderweitig unter und stellt den Pflegebetrieb vorläufig ein. Die für die stationäre Pflege erforderliche Einrichtung befindet sich allerdings nach wie vor in den Räumlichkeiten und B beabsichtigt, ihre Pflegetätigkeit im Falle des Obsiegens im vorliegenden Rechtsstreit wieder aufzunehmen.
  5. K ist der Ansicht, die Nutzung seitens B halte sich nicht im Rahmen der Zweckbestimmung aus der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung. Bei der Bezeichnung der Teileigentumseinheit als "Büroetage" handele es sich um eine "Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter". K behauptet, der Gebrauch der B beeinträchtige die Wohnungseigentümer in unzumutbarer Weise. Durch B würden an einzelnen Patienten letzte lebenserhaltende Maßnahmen durchgeführt. Zwar sei auch einem Bürobetrieb ein Publikumsverkehr nicht wesensfremd. Es sei allerdings ein gravierender Unterschied, ob dieser Publikumsverkehr im Wesentlichen aus Pflegepersonal, Notärzten, Rettungswagen in Begleitung von Feuerwehrfahrzeugen und Leichentransporten bestehe, oder aus Personen, die man üblicherweise mit einem Bürobetrieb in Verbindung bringe. Es sei zu mehreren Todesfällen von Patienten gekommen. Dies stelle für die älteren Wohnungseigentümer eine besondere psychische Belastung dar und habe zumindest bei Wohnungseigentümer S zu Schlaf- und Essstörungen sowie Depressionen geführt. Die von den medizinischen Überwachungsgeräten ausgehenden Signaltöne seien derart laut, dass sie bis in die Wohnungen im 3. Obergeschoss dringen würden. Zudem werde der Sondermüll der B regelmäßig lautstark in den frühen Morgenstunden gegen 6.30 Uhr abtransportiert. Weiterhin seien im Bereich des gemeinschaftlichen Treppenhauses deutlich Krankenhausgerüche bzw. Gerüche wahrzunehmen, die typischerweise mit einem Krankenhaus in Verbindung gebracht würden. Zudem sei es für eine Büronutzung untypisch, dass Waschmaschine und Wäschetrockner im gemeinschaftlichen Keller aufgestellt würden, was aber der Fall sei. Schließlich werde durch B eine Dauer-Außenbeleuchtung über die gesamten Nachtstunden hinweg praktiziert.
  6. Mieter B und die ihr als Streithelferin beigetretene Wohnungseigentümerin N sind der Ansicht, B's Gebrauch sei nicht unzulässig, vielmehr gingen von diesem sogar weniger Störungen aus als von einem Büro. Bei den betreuten Patienten handele es sich nicht um Notfallpatienten, sondern um solche Patienten, die als stabil aus der Klinik entlassen würden; deren Lebenserwartung sei sehr unterschiedlich. Ein Publikumsverkehr finde im Grunde nicht statt, die Patienten empfingen recht selten Besuch. Die medizinischen Überwachungsgeräte seien nicht lauter als das Klingeln eines Telefons. Durch die Müllentsorgung komme es zu keinen Belästigungen der übrigen Eigentü...

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