Leitsatz
Der Erwerb eines Grundstücks in Erfüllung eines Vermächtnisses ist ein teilentgeltlicher und damit im Rahmen der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Nr. 2 EStG aufteilbarer Vorgang, wenn der Vermächtnisnehmer für den Erwerb des vermachten Gegenstandes eine Gegenleistung erbringen muss, deren Wert die vermächtnisweise Zuwendung nicht ausgleicht.
Sachverhalt
Eine Steuerpflichtige und ihre Schwester sind die Erbinnen zu gleichen Teilen ihrer verstorbenen Mutter (Erblasserin). In ihrem Testament räumte die Erblasserin der Steuerpflichtigen das Recht ein, nach ihrem Tod ihren gesamten Grundbesitz zu übernehmen. Hierfür sollte die Steuerpflichtige an ihre Schwester einen Betrag von 25 % des Verkehrswerts des Grundbesitzes bezahlen. Die Steuerpflichtige bezahlte im Jahr 2003 25 % des Verkehrswerts von 238.800 EUR = 59.700 EUR an ihre Schwester. Im Jahr 2004 veräußerte die Steuerpflichtige den Grundbesitz zu einem Preis von 240.000 EUR. Das Finanzamt sah in der Weiterveräußerung ein privates Veräußerungsgeschäft. Den Gewinn ermittelte es, indem es vom Grundstücksveräußerungspreis 120.000 EUR der Grundstückshälfte der Schwester zurechnete und hiervon die Anschaffungskosten von 59.700 EUR sowie die Veräußerungskosten von 2.642 EUR abzog.
Der BFH entscheidet, dass die Steuerpflichtige das Grundstück aufgrund des testamentarisch eingeräumten Vorausvermächtnisses (§ 2150 BGB) zu drei Viertel unentgeltlich erworben hat. Muss der Vermächtnisnehmer für den Erwerb des vermachten Gegenstands eine Gegenleistung erbringen, die den Wert der Zuwendung nicht voll ausgleicht, handelt es sich um ein teilentgeltliches Erwerbsgeschäft, das in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. ist. Nur in Bezug auf den entgeltlichen Teil des Erwerbs liegt ein Anschaffungsvorgang vor. Die Steuerpflichtige hat mit der Veräußerung des Grundstücks für 240.000 EUR ein nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStGsteuerbares Veräußerungsgeschäft nur insoweit verwirklicht, als sie das Grundstück aufgrund des Grundstücksübertragungsvertrags in Erfüllung des Vermächtnisses entgeltlich erworben hat. Dies geschah hier i.H.v. 25 %. Denn die Steuerpflichtige musste lediglich einen Betrag von 25 % des Verkehrswerts an die Miterbin zahlen. Damit ist den Anschaffungskosten von 59.700 EUR ein anteiliger Veräußerungspreis von 60.000 EUR gegenüberzustellen, sodass sich unter Berücksichtigung der Veräußerungskosten kein Gewinn nach § 23 Abs. 3 EStG ergibt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 29.6.2011, IX R 63/10.