Alexander C. Blankenstein
Zusammenfassung
Nach derzeit geltender Rechtslage ist die Durchführung rein virtueller Wohnungseigentümerversammlungen nicht möglich. Auch existiert noch keine gesetzliche Grundlage, wonach den Wohnungseigentümern eine ausdrückliche Beschlusskompetenz zumindest dahingehend eingeräumt ist, Wohnungseigentümern die Möglichkeit zur Teilnahme an Präsenz-Versammlungen auch in elektronischer Form zu eröffnen. Allerdings können die Wohnungseigentümer auch nach derzeit geltender Rechtslage unproblematisch die Teilnahme der Wohnungseigentümer an Präsenz-Versammlungen in elektronischer Form vereinbaren. Ob eine Vereinbarung gerichtet auf die Durchführung rein virtueller Wohnungseigentümerversammlungen möglich ist, dürfte zwar grundsätzlich zu bejahen sein, birgt aber gewisse Restrisiken, da die Rechtsprechung insoweit nicht abschließend kalkulierbar ist. Eine Beschlusskompetenz besteht insoweit unzweifelhaft noch nicht. Der Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes schlägt zumindest eine Beschlusskompetenz zur Ermöglichung einer Teilnahme an Präsenz-Eigentümerversammlungen auch in elektronischer Form vor. Sollte der Vorschlag der Arbeitsgruppe Gesetz werden, käme dieser der Ermöglichung virtueller Eigentümerversammlungen im Übrigen äußerst nahe.
1 Derzeitige Rechtslage
1.1 Ausgangslage des Gesetzes
Physische Präsenz
Das derzeitige Wohnungseigentumsgesetz sieht Eigentümerversammlungen lediglich in Präsenzform vor. Dies ergibt sich zwar nicht direkt aus dem Gesetz, wird aber aus dem Versammlungsbegriff allgemein hergeleitet. Hiernach dient eine Versammlung der Zusammenkunft mehrerer Personen, und zwar in Form physischer Präsenz. Ob dies allerdings zwingend für das Verbandsrecht mit Blick auf eine gemeinschaftliche Willensbildung übertragbar ist, scheint bereits zweifelhaft, vermag allerdings an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Jedenfalls ist im allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff der "Versammlung" zunächst auch eher mit einem persönlichen Zusammentreffen zu assoziieren und lediglich in sekundärer Hinsicht mit einer virtuellen Zusammenkunft.
"Ein-Mann-Versammlung" und Umlaufbeschluss
Jedenfalls ist im Bereich des Wohnungseigentumseigentumsrechts längst anerkannt, dass es zu einer gültigen Beschlussfassung innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft bereits keiner Zusammenkunft mehrerer Personen bedarf, da sämtliche Wohnungseigentümer den Verwalter mit der Ausübung ihres Stimmrechts bevollmächtigen können, so eine entsprechende Vereinbarung dies nicht verbietet. In Abwesenheit der Wohnungseigentümer führt der Verwalter insoweit dann eine "Ein-Mann-Versammlung" durch. Weiter ermöglicht die Bestimmung des § 23 Abs. 3 WEG eine Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren. Auch wenn insoweit zum Zustandekommen eines entsprechenden Beschlusses Allstimmigkeit erforderlich ist, bedarf es für die Beschlussfassung selbst keiner Versammlung der Wohnungseigentümer.
Einsatz gängiger Kommunikationsmittel
Angesichts des organisatorischen und zeitlichen Aufwands, der mit der Herbeiführung entsprechend gemeinschaftlicher Willensbildung nach derzeit geltender Rechtslage verbunden ist und vor allem vor dem Hintergrund bestehender technischer Möglichkeiten, werden jedenfalls zumindest reine Präsenz-Eigentümerversammlungen vermehrt nicht mehr als zeitgemäß empfunden. Was allerdings die Durchführung rein virtueller Wohnungseigentümerversammlungen betrifft, sind jeweils Struktur und Zusammensetzung der Eigentümergemeinschaften zu berücksichtigen. Nicht jeder Wohnungseigentümer kann oder will an Online-Veranstaltungen teilnehmen. So man in diesem Zusammenhang Möglichkeiten der Durchführung von Eigentümerversammlungen auch mittels derzeit gängiger Kommunikationsmittel diskutiert, sind grundsätzlich 3 Ausgangskonstellationen zu unterscheiden:
- Telefonkonferenz
- rein virtuelle Eigentümerversammlungen
- Präsenz-Eigentümerversammlung mit der Möglichkeit der Teilnahme auch in elektronischer Form
1.1.1 Telefonkonferenz
Zur Durchführung einer Wohnungseigentümerversammlung mittels Telefonkonferenz liegt bereits eine richterliche Entscheidung vor, nach der eine solche keine Versammlung im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes darstellen soll, weshalb in ihrem Rahmen auch keine Beschlüsse gefasst werden könnten (AG Königstein, Beschluss v. 16.11.2007, 27 C 955/07). Da letztlich keine Eigentümerversammlung mittels Telefonkonferenz durchgeführt werden könne, handele es sich bei den im Rahmen einer derartigen "Versammlung" gefassten Beschlüsse lediglich um Nichtbeschlüsse, die keinerlei Rechtswirkung entfalten würden. Praktische Relevanz käme der Durchführung einer Eigentümerversammlung im Wege der Telefonkonferenz ohnehin nur in kleinen Eigentümergemeinschaften zu.
1.1.2 Rein virtuelle Eigentümerversammlungen
Bei einer rein virtuellen Wohnungseigentümerversammlung wird die Versammlung allein online im Cyberspace mittels entsprechender Konferenz-("Meeting"-)Software durchgeführt. Zwar existiert insoweit ersichtlich keine einschlägige Rechtsprechung, derartige Eigentümerversammlungen sind hiervon unabhängig nach derzeit geltender Rechtslag...