Deutsches oder schweizerisches Erbrecht?

Die Erblasserin war deutsche Staatsangehörige, hatte aber seit geraumer Zeit ihren Wohnsitz in der Schweiz. Bei ihrem Tod befanden sich ca. 80 % des Nachlasses in der Schweiz und der Rest in der Bundesrepublik Deutschland. 2 Wochen vor ihrem Tod hatte sie ein handschriftliches Testament errichtet mit folgendem Inhalt:

Zitat

  1. Als Erben habe ich einen Sohn und eine Tochter.
  2. Hiermit setze ich meine Tochter … auf den Pflichtteil.
  3. Die dadurch frei werdende Quote soll mein Enkelsohn … erhalten.

    Sollte er noch nicht volljährig sein, so ist sein Erbe von meinem Sohn zusammen mit dem Willensvollstrecker zu verwalten.

  4. Als Willensvollstrecker setze ich Dr. M. und im Verhinderungsfalle Dr. H., …, Zürich, ein.

Erbschein beantragt

Der Sohn hat nach dem Erbfall einen Erbschein beantragt, der ihn und den Enkelsohn zu je ½-Anteil als Erben ausweist, weil die Tochter, seine Schwester, nicht Erbin werden, sondern lediglich den ihr nach §§ 2303 ff. BGB zustehenden Pflichtteil erhalten sollte. Die Tochter der Erblasserin und ihr Sohn vertraten hingegen die Auffassung, dass die Erblasserin im Testament von der Geltung des schweizerischen Erbrechts ausgegangen sei und deshalb die Tochter entsprechend der sich aus Art. 471 Nr. 1 ZGB ergebenden Regelung zu einem 3/8-Anteil (¾ des gesetzlichen Erbteils) als Erbin eingesetzt habe.

Antrag ­abgelehnt

Das Nachlassgericht erteilte den beantragten Erbschein nicht. Die hiergegen gerichtete Beschwerde war ohne Erfolg. Auch nach Ansicht des OLG Köln entspricht der Erbscheinantrag nicht der tatsächlichen Erbfolge. Die Erblasserin sei nämlich nicht zu jeweils ½-Anteil von Sohn und dem Enkelsohn, sondern zu ½ von dem Sohn, zu ⅜ von der Tochter und zu ⅛ von deren Sohn beerbt worden.

Irrtum über anwendbares Erbrecht

Dabei gehen die Gerichte wie auch die Beteiligten davon aus, dass angesichts der Staatsangehörigkeit der Erblasserin das deutsche Erbrecht zur Anwendung kommt (Art. 25 Abs. 1 EGBGB). Bei der Ermittlung des Erblasserwillens können aber materiell-rechtliche Grundsätze einer anderen Rechtsordnung berücksichtigt werden, wenn der Erblasser sich über das anwendbare Erbrecht geirrt und auf der Basis der anderen Rechtsordnung testiert hat ("Handeln unter falschem Recht"). Darüber, ob der solchermaßen ermittelte Erblasserwille zulässig ist und in welchen Rechtsformen des eigenen Rechts er wirksam wird, entscheidet allein das tatsächlich geltende Erbstatut, hier also das deutsche Erbrecht.

Insoweit stellt der Senat klar:

  1. "Handeln unter falschem Recht"

    Befindet ein Erblasser sich bei Abfassung eines Testaments im Irrtum über das maßgebende Erbstatut und verwendet er deshalb materiell-rechtliche Institute eines Rechts, das nicht als Erbstatut berufen ist (sog. "Handeln unter falschem Recht"), muss durch Auslegung nach den Regeln des Erbstatuts ermittelt werden, was er damit ausdrücken wollte. Dies gilt auch dann, wenn der Erblasser im Testament einen dem deutschen Erbrecht zwar bekannten, aber im Sinne einer ausländischen Rechtsordnung gemeinten Begriff verwendet (hier: "Pflichtteil" nach schweizerischem Recht).

  2. Die Grundsätze zum "Handeln unter falschem Recht" dienen dazu, den testamentarisch erklärten Erblasserwillen möglichst aufrechtzuerhalten; ihre Anwendung darf aber nicht dazu führen, dem Erblasser testamentarische Anordnungen "unterzuschieben", derer er sich selbst bei Abfassung des Testaments nicht bewusst war.

(OLG Köln, Beschluss v. 15.1.2014, 2 Wx 291/13, FGPrax 2014 S. 75, dazu Litzenburger FD-ErbR 2014, 358003)

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