Gut gemeint, aber…
"Eine ganz große Bitte hätte ich, keinen Erbstreit!" Mit diesen Worten schloss eine verwitwete und kinderlose Erblasserin ihr handschriftliches Testament, in dem sie laienhaft über 2 Häuser verfügt und ihr stattliches Barvermögen nach dem "Gießkannenprinzip" verteilt hat. So blieb ihre Bitte ein frommer Wunsch – das Nachlassgericht musste sich mit dem Fall befassen.
Der Fall
Das Testament hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut:
Zitat
Mein Haus mit Inventar in der E-Straße vererbe ich an das Ehepaar X … (mein Firmpatenkind),
Mein Haus in der P-Straße vererbe ich an das Ehepaar Y … Sie wohnen im Haus. …
Mein (Firmpatenkind) … erbt 20.000 EUR.
Frau … erbt ebenfalls 20.000 EUR.
Je 10.000 EUR erben …
Die Sparbücher können für das Erbe verwendet werden. Den Rest meines Vermögens erhält das Ehepaar X. …
Bei dem im ersten Satz genannten "Firmpatenkind" handelt es sich um eine Großnichte der Erblasserin. Bei den Beschwerdeführern handelte es sich um Mieter der Erblasserin des im 2. Satz des Testaments genannten Hauses. Dabei handelt es sich um ein im Nachlass befindliches ungeteiltes Grundstück, das mit 2 Gebäuden bebaut ist. In einem Gebäude wohnte die Erblasserin bis zu ihrem Tode, das andere Gebäude war an die Beschwerdeführer vermietet. Das Nachlassgericht hat durch Sachverständigengutachten ermittelt, dass die Gebäude auf dem Grundstück Werte von 173.000 EUR (E-Straße) bzw. 70.000 EUR (P-Straße) aufweisen. Darüber hinaus befindet sich Barvermögen im Nachlass, das nach den Feststellungen des Nachlassgerichts ca. 330.000 EUR ausmacht.
Die Eheleute X haben einen Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins gestellt, der sie als Miterben zu je 1/2 ausweist, die Beschwerdeführer einen Erbschein, der sie zu Erben zu je 1/4 neben den Eheleuten X ausweist.
Das Nachlassgericht hat die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Eheleute X zu je 1/2 angekündigt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Ehepaars Y hat keinen Erfolg.
Testamentsauslegung
Nach Auffassung des OLG München ist die Entscheidung des Nachlassgerichts richtig. Die unklare letztwillige Verfügung müsse ausgelegt werden: Was wollte die Erblasserin mit ihren Worten sagen?
Ausgangspunkt ist dabei der Wortlaut, der hier nicht eindeutig ist, weil durchweg der Ausdruck "erben" verwendet wurde. Dabei ist von einer Vermächtniseinsetzung auszugehen, wenn in einem Testament (allein) konkrete – nicht (nahezu) das ganze Vermögen darstellende – Geldbeträge zugewendet werden.
Äußerer Aufbau wichtig
Entscheidende Bedeutung komme vorliegend der Auslegung der Verfügungen der Erblasserin hinsichtlich der beiden Gebäude einerseits und ihres restlichen Vermögens andererseits zu.
Für eine Auslegung des Testaments in Richtung einer Miterbenstellung der Eheleute X zu je 1/2 – so das Gericht – spricht schon der äußere Aufbau des Testaments: An der Spitze des Testaments steht die Zuwendung der Häuser. Auch die Erwähnung der Eheleute X an 1. Stelle in dem Testament – unter Hervorhebung der Ehefrau als Firmpatenkind – deute auf eine Erbeinsetzung der Eheleute X hin, denn es erscheine durchaus wahrscheinlich, dass ein Erblasser seine Erben an hervorgehobener Stelle im Testament erwähnt.
Wertrelation
Zudem habe die Erblasserin in der Gesamtschau den Eheleuten X den weitaus größten Teil ihres Vermögens zugewendet. Auch dies sei ein gewichtiges Indiz für deren Einsetzung zu Miterben zu je 1/2.
Fazit
Wer als Erblasser tatsächlich Erbstreitigkeiten verhindern will, sollte sich bei der Errichtung seines Testaments Rechtsrat einholen – jedenfalls bei komplizierteren Familien- und Vermögensverhältnissen.
(OLG München, Beschluss v. 9.8.2016, 31 Wx 286/15)