BGB §§ 564, 1922 Abs. 1
- Unterlässt der nach § 564 Satz 1, § 1922 Abs. 1 BGB in das Mietverhältnis eingetretene Erbe, dieses nach § 564 Satz 2 BGB außerordentlich zu kündigen, liegt allein hierin keine Verwaltungsmaßnahme, welche die nach Ablauf dieser Kündigungsfrist fällig werdenden Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis zu Nachlasserbenschulden beziehungsweise Eigenverbindlichkeiten werden lässt, für die der Erbe – auch – persönlich haftet.
- Eine persönliche Haftung tritt jedoch etwa dann ein, wenn der Erbe nach wirksamer Beendigung des Mietverhältnisses seiner (fälligen) Pflicht aus § 546 Abs. 1, § 985 BGB zur Räumung und Herausgabe der Mietsache nicht nachkommt.
(amtliche Leitsätze des BGH)
Das Problem
Zwischen V als Vermieter und M als Mieter bestand ein Mietverhältnis über eine in einem Mehrfamilienhaus gelegene Wohnung. M verstarb im August 2014. Er wurde von seinem Bruder beerbt. Dieser blieb zunächst untätig, insbesondere hat er das zwischen V und M bestehende Mietverhältnis nicht gekündigt. Der Vermieter nahm den Erben auf Zahlung der Mieten für die Monate September und Oktober 2014 sowie – nach erfolgter Kündigung – auf Räumung in Anspruch. Daraufhin ordnete das Nachlassgericht auf Antrag des Erben am 12.11.2015 Nachlassverwaltung an. In der Folgezeit wurde die Wohnung aufgrund des vom Vermieter erlangten Räumungstitels zwangsgeräumt.
Im Entscheidungsfall geht es noch um die Frage, ob der Erbe für eine Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung haftet. Da das Nachlassvermögen zur Tilgung der Verbindlichkeiten des verstorbenen Mieters nicht ausreicht, kommt es darauf an, ob die Haftung des Erben auf den Nachlass beschränkt ist oder ob dieser mit seinem Eigenvermögen für die Mietschulden einzustehen hat.
Die Entscheidung
1. Unterscheidung: Erblasserschulden/Nachlassererbenschulden
Treten beim Tod des Mieters keine Angehörigen in das Mietverhältnis ein, so wird es mit dem Erben fortgesetzt (§§ 564 Satz 1, 1922 Abs. 1 BGB). Dies hat u. a. zur Folge, dass der Erbe für die aus dem Mietverhältnis resultierenden Verbindlichkeiten haftet (§ 1967 Abs. 1 BGB). Dabei ist zwischen den "Erblasserschulden" und den "Nachlassererbenschulden" zu unterscheiden.
Zu den Erblasserschulden gehören alle "vom Erblasser herrührenden Schulden" i. S. v. § 1967 Abs. 2 BGB. Hierzu zählen insbesondere rückständige Mieten einschließlich der Betriebskosten.
Nachlassererbenschulden sind dagegen alle Verbindlichkeiten, die vom Erben selbst verursacht werden, z. B. die nach § 546a BGB geschuldete Nutzungsentschädigung, die entsteht, wenn der Erbe die Mietsache trotz Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurückgibt, sowie Verbindlichkeiten, die bei der Verwaltung des Nachlasses entstehen und die dem Erben zuzurechnen sind.
2. Haftungsbegrenzung durch Nachlassverwaltung
Der Erbe kann seine Haftung begrenzen, indem er die Anordnung einer Nachlassverwaltung beantragt. Die Nachlassverwaltung hat zur Folge, dass der Erbe ab dem Zeitpunkt der Anordnung (hier: ab dem 12.11.2015) nicht für reine Nachlassschulden (also für Erblasserschulden) in Anspruch genommen werden kann. Die Haftung des Erben für solche Verbindlichkeiten, die er vor der Anordnung durch Maßnahmen der Nachlassverwaltung selbst begründet hat (also für die Nachlassererbenschulden), bleibt dagegen unberührt. Für diese Verbindlichkeiten haftet der Erbe weiterhin mit seinem Eigenvermögen.
3. Verzicht auf Kündigung als Verwaltungsmaßnahme?
Nach § 564 BGB steht dem Erben das Recht zur außerordentlichen Kündigung zu, wenn er das Mietverhältnis nicht fortsetzen will. Von diesem Recht hat der Erbe keinen Gebrauch gemacht mit der Folge, dass das Mietverhältnis zunächst nicht beendet wurde und weitere Mieten fällig wurden. In diesem Fall ist streitig, ob diese Mieten den Erblasserschulden (so z. B. LG Wuppertal, MDR 1997 S. 34) oder den Nachlassererbenschulden (so z. B Lehmann, in Staudinger, § 1967 Rn. 29) zuzuordnen sind. Im erstgenannten Fall haftet lediglich der Nachlass, im letztgenannten Fall ist eine Eigenverbindlichkeit des Erben anzunehmen. Die Entscheidung hängt davon ab, ob man den Verzicht des Erben auf das Sonderkündigungsrecht des § 564 BGB als Verwaltungsmaßnahme bewertet. In diesem Fall entsteht durch die Nichtausübung der Kündigungsmöglichkeit eine Eigenhaftung für die infolge der Unterlassung entstandenen Verbindlichkeiten.
Der BGH entscheidet wie aus dem Leitsatz 1 ersichtlich: Allein in dem Unterbleiben der Kündigung liegt keine Verwaltungsmaßnahme. Der BGH begründet dies mit dem Sinn und Zweck der außerordentlichen Kündigungsmöglichkeit des § 564 BGB. Die Vorschrift dient in erster Linie den Interessen des Vermieters; der Mieter ist hierauf grundsätzlich nicht angewiesen, weil er ohnehin kündigen kann, auch wenn keine Kündigungsgründe vorliegen. Auch könne vom Erben nicht verlangt werden, sich innerhalb der Frist des § 564 BGB für die Kündigung zu entscheiden. Dies sei mit dem Recht des Erben über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft zu entscheiden, nicht zu...