Interessenabwägung
Auch wenn ein wichtiger Grund, insbesondere eine grobe Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers, vorliegt, kann dieser aus seinem Amt nur dann entlassen werden, wenn eine Ermessensabwägung ergibt, dass seine vom Erblasser abgeleitete Stellung als Vertrauensperson hinter die Schutzbedürftigkeit anderer Nachlassbeteiligter zurücktritt. Das ist die Erkenntnis aus einer neuen Entscheidung des OLG Düsseldorf.
Viele Erben – viel Streit
Die Erblasserin hatte mittels notariellen Testaments 8 Nichten und Neffen zu Miterben eingesetzt. Sie vermachte in einer vorgegebenen Reihenfolge den Erben das Recht, eine ihrer Nachlassimmobilien aus dem Nachlass zu 80 % des Schätzwerts anzukaufen. Das Übernahmerecht war gegenüber dem von ihr benannten Testamentsvollstrecker mit einer Frist von 3 Monaten auszuüben; danach ging es auf den nächstbenannten Miterben über. Der Testamentsvollstrecker hatte den Nachlass auseinanderzusetzen und die Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen. Hierzu bestimmte sie einen der Neffen. Dieser war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit, soweit ihm das genannte Übernahmerecht zufiel. In einem nachgereichten handschriftlichen Testament vermachte die Verstorbene dem bezeichneten Ersatztestamentsvollstrecker Depotguthaben. Ein Miterbe beantragte, den Testamentsvollstrecker wegen einer Vielzahl von Pflichtverletzungen zu entlassen. Dies lehnte das Nachlassgericht ab. Trotz des Vorliegens von Pflichtverletzungen wies auch der Senat den Entlassungsantrag zurück.
Vertrauensstatus des Vollstreckers
Gemäß § 2227 BGB kann das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker auf Antrag hin entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, insbesondere eine grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung gegeben ist. Somit ist zunächst zu klären, ob ein "wichtiger Grund" vorliegt, woran sich die Ausübung des dem Nachlassgericht obliegenden Versagungsermessens anschließt. Im Rahmen der Ermessensausübung ist zu prüfen, ob nicht überwiegende Gründe für ein Verbleiben im Amt sprechen, selbst wenn eine Pflichtverletzung festgestellt wird. Die Abwägung zwischen dem Entlassungs- und dem Fortführungsinteresse schlägt nur dann zugunsten der Entlassung um, wenn gewichtige Gründe vorliegen, die gegen die Amtsfortführung sprechen. Im Rahmen der Abwägung ist zu beachten, dass der vom Erblasser bezeichnete Testamentsvollstrecker nach dem Erblasserwillen einen Vertrauensstatus genießt. Daher ist zu berücksichtigen, ob bestimmte Umstände den Erblasser, wenn dieser noch leben würde, mutmaßlich zum Widerruf der Ernennung der ausgewählten Person veranlasst hätten.
Querulatorischer Erbe?
Vorliegend war der Nachlass zum allergrößten Teil bereits verteilt. Es stand lediglich noch der Hausrat der Erblasserin mit geringfügigem Wert zur Verteilung an. Der Senat sieht eine solche Verteilung unspektakulärer Vermögenswerte als "Lästigkeiten" an. Für den Fall der Entlassung des Testamentsvollstreckers wäre, da der genannte Ersatztestamentsvollstrecker vorverstorben ist, keine Vertrauensperson aus Sicht der Erblasserin mehr vorhanden. Dem Entlassungsantrag haben sich darüber hinaus andere erbrechtlich Beteiligte weder angeschlossen noch ihm zugestimmt. Ein "selbstherrliches Handeln" des Testamentsvollstreckers sei ebenfalls nicht erkennbar.
Fazit
Wer einen Antrag auf Entlassung des Testamentsvollstreckers stellt, sollte nicht nur zu Pflichtverletzungen und Fehlern in der Verwaltung der Nachlassmasse durch den Testamentsvollstrecker vortragen, sondern auch zu dem Abwägungsinteresse.
(OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.2.2017, 3 Wx 20/16, MDR 2017 S. 464, dazu NJW-Spezial 2017 S. 200)