Leitsatz
- Für die zur Annahme einer Liebhaberei erforderliche Feststellung einer objektiv negativen Gewinnprognose sind die in der Vergangenheit erzielten Gewinne ohne Bedeutung. Am Ende einer Berufstätigkeit umfasst der anzustrebende Totalgewinn daher nur die verbleibenden Jahre.
- Dauerhafte Verluste werden auch dann aus persönlichen Gründen hingenommen, wenn die Fortführung der verlustbringenden Tätigkeit den Abzug von Gehaltszahlungen an nahe Angehörige als Betriebsausgaben ermöglichen soll.
Sachverhalt
Der 1914 geborene Arzt betrieb seine Praxis von 1964 bis 1998; seit einem Schlaganfall im Jahre 1982 ist er gesundheitlich beeinträchtigt. Seine Ehefrau und seine Tochter arbeiteten in der Praxis mit. Mit seiner Ehefrau erzielte der Kläger zudem Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie Leibrenten. Seit 1991 warf die ärztliche Tätigkeit nur Verluste ab: Während die Einnahmen kontinuierlich von ca. 77000 DM im Jahre 1991 auf durchschnittlich 16000 DM in den Streitjahren zurückgingen, wiesen die Ausgaben – bei konstanten Personalaufwendungen von 43000 DM – nur einen Rückgang von ca. 84000 DM im Jahr 1991 auf durchschnittlich 70000 DM in den Streitjahren auf. Zum 31.12.1998 stellte der Arzt im Alter von 84 Jahren den Praxisbetrieb ein. Gleichzeitig schied seine Ehefrau als Arbeitnehmerin aus. Die Tochter wurde zum 31.3.1999 entlassen, da sie noch Abwicklungsarbeiten durchführte. Anders als in den Vorjahren erkannte das Finanzamt die erklärten Verluste aus der ärztlichen Tätigkeit für die Streitjahre 1997 bis 1999 wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht nicht an. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Dagegen richtet sich die Revision.
Entscheidung
Auch nach Auffassung des BFH hat der Betrieb der Arztpraxis in den Streitjahren nicht zu Einkünften aus selbständiger Arbeit geführt, weil dem Arzt die erforderliche Gewinnerzielungsabsicht gefehlt hat. Verluste aus einer solchen Tätigkeit und eine daran anknüpfende objektiv negative Gewinnprognose – wie im Streitfall – lassen zwar allein nicht auf eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht schließen, aber dann, wenn sie aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden.
Der maßgebliche Gewinnprognosezeitraum umfasst im Streitfall – anders als bei Anlaufverlusten neugegründeter Betriebe – nicht frühere, sondern nur die verbleibenden Jahre der betrieblichen Tätigkeit; denn für die Gewinnerzielungsabsicht ist erheblich, wie der Steuerpflichtige auf längere Zeit hindurch erwirtschaftete Verluste reagiert hat. Hat er den Betrieb – wie im Streitfall – weder umstrukturiert noch eingestellt, sind Dauer und Umfang der erzielten Verluste das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht. Dass der Arzt die nachhaltigen Verluste aus persönlichen Gründen hingenommen hat, folgt auch aus dem steuermindernden Abzug der Gehaltszahlungen an die Ehefrau und die Tochter trotz der stark eingeschränkten Praxistätigkeit und dem fehlenden Nachweis der Angemessenheit der Gehaltszahlungen. Unter diesen Umständen hat der BFH die Würdigung des FG gebilligt, ausweislich der Weiterbeschäftigung der Tochter als Haushaltshilfe nach Aufgabe der Praxis könne diese auch zuvor nicht ausschließlich mit betrieblichen Aufgaben befasst gewesen sein. Das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, spricht danach für die Annahme, der Arzt habe die langjährigen, stetig steigenden Verluste aus persönlichen Motiven hingenommen. Im Zusammenhang damit ist auch das Vorliegen anderer Einkünfte für einen Verlustausgleich ein Indiz für die Weiterführung des Verlustbetriebs aus persönlichen Gründen.
Praxishinweis
Als einziges Indiz für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht eines Freiberuflers reichen anderweitige hohe Einkünfte allerdings laut BFH-Urteil vom 22.4.1998 nicht aus. Bei der Totalgewinnprognose sind im Übrigen Aufwendungen, die als Betriebsausgaben nicht anzuerkennen sind, zugunsten des Steuerpflichtigen außer Ansatz zu lassen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 26.2.2004, IV R 43/02