Leitsatz
Der Steuerpflichtige hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich erst dann wirksam ausgeübt, wenn er zeitnah eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine ordnungsgemäße kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht.
Sachverhalt
Eine Architekten-GbR ermittelte den Gewinn aus selbständiger Arbeit bis 1993 nach § 4 Abs. 3 EStG. Für das Streitjahr 1994 legte die GbR im Juni 1996 eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG vor, die einen erheblichen Verlust auswies. Die erst nach Aufforderung durch das Finanzamt vorgelegte "Eröffnungsbilanz" enthielt den Hinweis, dass auf die Ermittlung der unfertigen Arbeiten, Forderungen und weiteren sonstigen Verbindlichkeiten verzichtet worden sei, da diese den Übergangsverlust nur zusätzlich erhöht hätten. Die Zu- und Abrechnungen nach R 17 EStR waren nicht vorgenommen worden. Nach einer Betriebsprüfung erkannte das Finanzamt den Übergang zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG nicht an. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Auffassung, dass die Einkünfte der GbR für das Streitjahr nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln waren. Hat sich ein Steuerpflichtiger für die Überschussrechnung entschieden, kann er allein durch eine nachträglich erstellte Buchführung seine zunächst getroffene Wahl nicht mehr ändern. Voraussetzung ist vielmehr, dass er zeitnah eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine ordnungsgemäße kaufmännische Buchführung einrichtet und – vor allem – aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht. Hier hat die GbR die Eröffnungsbilanz aber erst nach Ablauf des Streitjahrs erstellt und dabei die Bestände nicht ordnungsgemäß zum Eröffnungsstichtag erfasst. Sie konnte daher nicht mehr zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich übergehen.
Praxishinweis
Wer den Bestandsvergleich wählt, muss ihn auch so weit durchführen, dass man vom Vorliegen dieser Gewinnermittlungsart sprechen kann. Ein Bestandsvergleich setzt notwendig die ordnungsgemäße Erfassung der Bestände zum Bilanzeröffnungsstichtag voraus. Eine besondere Bedeutung – so der BFH – kommt der Bestandsaufnahme für die Positionen der Eröffnungsbilanz bei einem Wechsel von der Überschussrechnung zum Bestandsvergleich deshalb zu, weil insoweit die fehlerausgleichende Zweischneidigkeit der Bilanz noch nicht gegeben ist. Im Streitfall fehlte aber nicht nur die zeitgerechte, sondern auch die vollständige Aufnahme und Erfassung der Bestände. Das geht aus dem Hinweis der GbR hervor, dass auf die Ermittlung der unfertigen Arbeiten, Forderungen und weiteren Verbindlichkeiten "verzichtet" wurde. Werden die der Eröffnungsbilanz zugrunde liegenden Positionen aber nicht vollständig und zeitgerecht ermittelt, kann in diesem Veranlagungszeitraum nicht mehr von der Überschussrechnung zum Bestandsvergleich übergegangen werden.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 19.10.2005, XI R 4/04