Leitsatz
Die kostenlose oder verbilligte Überlassung von qualitativ und preislich hochwertigen Bekleidungsstücken durch den Arbeitgeber an die Mitglieder seiner Geschäftsleitung stellt steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Der Entlohnungscharakter der Zuwendung kann nicht mit einem überwiegend eigenbetrieblichen Interesse widerlegt werden, weil das Tragen der vom Arbeitgeber hergestellten Kleidungsstücke neben Repräsentationszwecken auch der Werbung dienen würde.
Sachverhalt
Ein Bekleidungsunternehmen stellte den Mitgliedern der Geschäftsleitung und deren Ehefrauen jährlich ein bestimmtes Kontingent der neuesten Kollektion in Übereinstimmung mit ihrer sog. Kleiderordnung zur Verfügung, nach der die Geschäftsleitung das Unternehmen dadurch nach außen repräsentieren solle, dass jeweils die neuesten eigenen Produkte getragen würden. Der auf der Grundlage des Händlereinkaufspreises ermittelte geldwerte Vorteil wurde dem Lohnsteuerabzug unterworfen. Nach einer Außenprüfung ermittelte das Finanzamt den Vorteil nach § 8 Abs. 3 EStG anhand des um 4 % geminderten Endpreises, zu dem die Bekleidung fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten wird, und erfasste die Differenz zum Händlereinkaufspreis per Haftungsbescheid. Der hiergegen erhobenen Klage gab das FG statt. Auf die Revision hob der BFH das angefochtene Urteil auf und wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH legt zunächst dar, wann Rabatte auf die eigene Produktpalette nicht Ertrag der Arbeit sind, weil sie sich lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Hierzu ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, die anhand einer Reihe von Merkmalen erfolgt, die von der Rechtsprechung entwickelt wurden. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung der Arbeitnehmer. Deswegen ist entgegen der Auffassung des FG nicht unerheblich, wenn sich der zugewendete Vorteil – wie hier – als außergewöhnlich hoch erweist. Ebenso wenig kann dem Rabattvorteil der Entlohnungscharakter mit der Begründung abgesprochen werden, dass mit dem Tragen der Kleidung eine Werbewirkung verbunden sei und damit die Glaubwürdigkeit der eigenen Marke gewährleistet werden solle. Entsprechendes gilt für die firmeneigene Kleiderordnung, zumal der Gesichtspunkt der aufgedrängten Bereicherung allenfalls trägt, wenn das Interesse des Arbeitnehmers am "aufgedrängten" Vorteil in den Hintergrund tritt.
Praxishinweis
Da die Klägerin dem Grunde nach selbst von Arbeitslohn ausgegangen ist – andernfalls bestand kein Anlass zum Lohnsteuerabzug –, hätte eigentlich nur die Höhe des Vorteils streitig sein können. Die Bewertung nach § 8 Abs. 3 EStG ist im Streitfall aber so offensichtlich richtig, dass der BFH dies noch nicht einmal erwähnenswert fand. Deshalb sah er auch keine Veranlassung, sich mit der – weit hergeholten – Auffassung des FG auseinanderzusetzen, Maßstab für den Vorteil sei nicht der Einzelhandelspreis, sondern der Wert für Gebrauchtkleidung. Wäre letzteres richtig, hätte die besondere Bewertung des § 8 Abs. 3 EStG nur vorgenommen werden dürfen, wenn die Klägerin auch mit gebrauchter Kleidung handelte. Darauf weist nichts hin.
Ein wesentliches Kriterium einer eigenbetrieblichen Zielsetzung ist die besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck. Dass Kleider der neuen Kollektion aus Repräsentationsgründen überlassen worden seien, erscheint noch nicht einmal schlüssig, da allenfalls ein ausgemachter Bekleidungsfachmann zur Kenntnis nehmen kann, wessen Produkt getragen wird. Selbst bei Produkten, bei denen der Hersteller auf der Hand liegt – beispielsweise Autos –, rechtfertigt das angebliche Repräsentationsbedürfnis es nicht, beim Überlassen einer Nobelkarosse Arbeitslohn zu verneinen. Hier war das eingesetzte Mittel für den angeblichen Zweck zudem denkbar ungeeignet. Das gilt erst recht für die den Ehegatten der Geschäftsführer überlassene Bekleidung. Deshalb liegt es nahe, dass der vermeintliche Zweck nur vorgeschoben wurde, während es tatsächlich darum ging, die Geschäftsführer samt Ehegatten auf Kosten des Arbeitgebers einzukleiden. Dann liegt aber, wie immer, wenn der Arbeitgeber Kosten der privaten Lebensführung seines Arbeitnehmers übernimmt, typischerweise Arbeitslohn vor.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 11.4.2006, VI R 60/02