Leitsätze (amtlich)
- Die Übernahme einer Bürgschaft als solche stellt keine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Gleiches gilt für Leistungen des Bürgen an den Gläubiger aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung.
- Die Bestellung einer Bürgschaft und die nachfolgende Inanspruchnahme des Bürgen können ausnahmsweise als freigebige Zuwendung des Bürgen an den Schuldner angesehen werden, wenn nach den objektiven Umständen der Schuldner von dem Bürgen endgültig von der gegen ihn (weiter-)bestehenden Forderung befreit werden sollte. Die bloße Möglichkeit, als Bürge aus der Bürgschaft in Anspruch genommen zu werden und mit dem übergegangenen Anspruch gegen den Schuldner auszufallen, reicht für eine derartige Annahme nicht.
Sachverhalt
Zur teilweisen Umschuldung von Darlehen hatte die H-Bank dem Kläger 1983 einen Kontokorrentkredit über 500 000 DM eingeräumt, für den sich seine Mutter (M) selbstschuldnerisch verbürgte. M wurde 1987 aus dieser Bürgschaft von der H-Bank in Anspruch genommen und zahlte am 2.12.1987 in Teilerfüllung ihrer Bürgschaftsverpflichtung 250000 DM. Das Finanzamt setzte wegen einer Schenkung der M von 250 000 DM gegen den Kläger Schenkungsteuer fest. Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab. Die Revision des Klägers hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Der Schenkungsteuerbescheid ist aufzuheben. Zu Unrecht hat das FG angenommen, dass die Zahlung von M zur Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtung eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellt. Rechtsirrig ist das FG davon ausgegangen, dass der Kläger durch die Inanspruchnahme der M auf Zahlung von 250000 DM am 2.12.1987 aus der von ihr eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung auf Kosten der M bereichert worden sei. Die Eingehung einer Bürgschaftsverpflichtung als solche stellt keine freigebige Zuwendung an den (Haupt-)Schuldner dar, weil durch sie lediglich die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner durch Übernahme der Hilfsschuld gesichert wird; eine Bereicherung des Schuldners tritt damit nicht ein. Auch durch die Leistung des Bürgen an den Gläubiger aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung wird der Schuldner nicht auf Kosten des Bürgen bereichert; denn soweit der Bürge den Gläubiger befriedigt, erlischt die Forderung gegen den (Haupt-)Schuldner nicht. Vielmehr geht die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner auf den Bürgen über.
Ausnahmsweise kann die Leistung des Bürgen aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung allerdings dann als freigebige Zuwendung des Bürgen an den Schuldner angesehen werden, wenn nach den objektiven Umständen der Schuldner vom Bürgen endgültig von der gegen ihn (weiter-) bestehenden Forderung befreit werden sollte. Die bloße Möglichkeit, als Bürge aus der Bürgschaft zukünftig in Anspruch genommen zu werden und mit dem übergegangenen Anspruch gegen den Schuldner auszufallen, reicht für eine solche Annahme nicht aus; denn diese Unsicherheit wohnt jeder Bürgschaftsverpflichtung inne. Ein endgültiger Verzicht auf den für diesen Fall in § 774 BGB vorgesehenen Rückgriffsanspruch lässt sich deshalb daraus gerade nicht ableiten. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Übernahme einer Bürgschaft z.B. bei einer endgültig aussichtslosen Vermögenslage des Schuldners eine solche Annahme rechtfertigen kann, braucht nicht entschieden zu werden, weil ein solcher Fall hier nicht vorliegt. Denn M hat die Bürgschaft gegenüber der H-Bank schon 1983, also vier Jahre vor ihrer Inanspruchnahme übernommen, zu einem Zeitpunkt, in dem der Kläger für die H-Bank noch kreditwürdig war und sich ein Vermögensverfall des Klägers noch nicht abzeichnete.
Gegenstand des Bescheides ist eine "Schenkung vom 2.12.1987" und damit die Zahlung der M aufgrund ihrer Bürgschaftsverpflichtung. Ob M auf ihre Rückgriffsansprüche gegen den Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt rechtswirksam verzichtet hat bzw. ob in dem Verhalten (Untätigbleiben) der M gegenüber dem Kläger nach Zahlung der 250 000 DM an die H-Bank ein solcher Verzicht gesehen werden könnte, kann offen bleiben. Denn ein Forderungsverzicht ist laut Sachverhalt nicht Gegenstand des angefochtenen Steuerbescheides und vermag diesen deshalb auch nicht zu rechtfertigen.
Link zur Entscheidung
BFH vom 12.7.2000 -II R 26/98