1 Leitsatz

Die Hauptversammlung einer AG muss einer Übernahme der Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage für ihr Vorstandsmitglied durch die Gesellschaft zustimmen, wenn das Vorstandsmitglied durch eine Handlung, die Gegenstand eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens ist, gleichzeitig seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt hat.

2 Sachverhalt

Der Beklagte war Vorstandsmitglied der Klägerin, einer Aktiengesellschaft. Im Jahr 2005 hoben die Parteien den Anstellungsvertrag auf. § 9 des Aufhebungsvertrags laute:

"1. Den Parteien ist bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Stade (...) ein Ermittlungsverfahren (...) gegen den Vorstand führt. Gegenstand des Ermittlungsverfahrens sind Handlungen, die der Vorstand bei der Ausübung seiner Geschäftstätigkeit als Vorstand für die Gesellschaft vorgenommen hat. Die Parteien vertreten die Auffassung, dass das Ermittlungsverfahren grundlos durchgeführt wird. (...) "

"3. Für den Fall, dass das Verfahren mit Geldsanktionen für den Vorstand verbunden ist (Einstellung gem. § 153a StPO, Strafbefehl, Geldstrafen oder geldwerte Bewährungsauflagen), übernimmt (...) AG diese, soweit dies rechtlich zulässig ist und soweit derartige Geldsanktionen von der (...) AG bei entsprechendem Anfall auch für die übrigen, von dem Ermittlungsverfahren betroffenen Vorstandsmitglieder übernommen werden (Prinzip der Gleichbehandlung)."

Mit Vertrag aus dem Jahr 2007 gewährte die Klägerin dem Beklagten ein Darlehen i.H.v. 50.000 EUR. Nr. 13 des Darlehensvertrages laute:

"13. Abschließende Bestimmungen "

"13.1. Die vorstehenden Bestimmungen geben die Vereinbarungen zwischen den Parteien im Hinblick auf den Vertragsgegenstand vollständig wieder und ersetzen alle vorangegangenen Vereinbarungen, Übereinkünfte und Verpflichtungen. Nebenabreden, mündlich oder schriftlich, wurden nicht getroffen. (...)"

Mit dem gleichen Text wurde den weiteren Vorstandsmitgliedern Dr. G. und B. ebenfalls ein Darlehen gewährt. Das Darlehen verwandten der Beklagte und die weiteren Vorstandsmitglieder zur Begleichung der ihnen in dem Ermittlungsverfahren nach § 153a StPO auferlegten Geldauflage.

Die Klägerin hatte das Darlehen gekündigt und im Urkundenprozess Rückzahlung verlangt. Der Beklagte hatte eingewandt, dass die Klägerin sich nach dem Aufhebungsvertrag zur Übernahme der Geldauflage verpflichtet und das Darlehen der Zahlung der Geldauflage gedient habe.

Das Landgericht (LG) Stade hatte den Beklagten im Urkundenprozess unter Vorbehalt der Ausführung seiner Rechte zur Zahlung von 50.000 EUR nebst Zinsen verurteilt. Im Nachverfahren hat das LG Stade sein Vorbehaltsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle zurückgewiesen. Dagegen richtete sich die Revision der Klägerin beim Bundesgerichtshof (BGH).

3 Entscheidung

Die Revision hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des Beschlusses des Berufungsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache.

Der BGH hat zur Begründung darauf hingewiesen, dass die Gesellschaft die Bezahlung einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage, die gegen ein Vorstandsmitglied verhängt wurde, nicht in jedem Fall allein aufgrund eines Beschlusses des Aufsichtsrats übernehmen kann. Wenn die von dem Vorstandsmitglied begangene Straftat gleichzeitig eine Pflichtverletzung gegenüber der Aktiengesellschaft ist, müsse entsprechend § 93 Abs. 4 Satz 3 Aktiengesetz (AktG) die Hauptversammlung einer Übernahme der Sanktion durch die Gesellschaft zustimmen.

Ein Verzicht auf die Darlehensrückzahlung ist nach Ansicht des BGH nicht schon wegen Begünstigung oder Strafvereitelung nach §§ 257, 258 StGB verboten. Die Zahlung einer Geldstrafe durch die Gesellschaft erfülle weder den Tatbestand der Begünstigung noch der Strafvereitelung. Erst recht gelte dies für die Übernahme einer Geldauflage bei einer Einstellung des Straf- oder Ermittlungsverfahrens nach § 153a StPO.

In seiner Urteilsbegründung hat das Gericht weiter ausgeführt, dass in der Fachliteratur umstritten ist, ob die Übernahme einer Geldsanktion (Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage) allein vom Aufsichtsrat beschlossen werden kann.

Nach der Entscheidung des BGH kann dagegen der Aufsichtsrat, wenn eine Pflichtwidrigkeit gegenüber der Gesellschaft vorliegt, die Übernahme einer Strafsanktion auf die Gesellschaft nicht wirksam beschließen. Das sei entsprechend § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG vielmehr Sache der Hauptversammlung. Bei der Beurteilung, ob eine Pflichtwidrigkeit vorliegt, stehe dem Aufsichtsrat kein Handlungsermessen zu; maßgebend sei vielmehr die objektive Rechtslage.

Die Entscheidung über die Übernahme einer Geldstrafe, Geldauflage oder Geldbuße ist daher nach Meinung des BGH entsprechend der Regelung zum Verzicht in § 93 Abs. 4 AktG der Hauptversammlung vorbehalten. Auf die Erstattung einer Strafsanktion durch die Gesellschaft sind somit die Grundsätze von § 93 AktG anzuwenden. Nach der Urteilsbegründung des BGH soll § 93 AktG ausschließen, dass der Vorstand durch eine pflichtwidrige Handlung der Gesellschaft dauerhaft einen Nachteil zufügt. W...

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