Leitsatz
Bei der Berechnung des Gewinns aus einer Betriebsveräußerung sind vom Erwerber übernommene betriebliche Verbindlichkeiten, die aufgrund von Rückstellungsverboten in der Steuerbilanz nicht passiviert worden sind, nicht gewinnerhöhend zum Veräußerungspreis hinzuzurechnen.
Sachverhalt
Eine GmbH hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1.2. bis 31.1. Ihre Handelsbilanz enthielt Rückstellungen in Höhe von 2 738 162 DM für drohende Verluste aus einem Mietverhältnis und in Höhe von 713 878 DM für Verpflichtungen für Zuwendungen aus Dienstjubiläen. Beide Rückstellungen wurden nach § 5 Abs. 4, Abs. 4a EStG in der Steuerbilanz der GmbH nicht erfasst. Die GmbH hat ihren Betrieb an die A-GmbH veräußert. Die A-GmbH übernahm im Weg der befreienden Schuldübernahme alle am Übertragungsstichtag begründeten und zum Unternehmen gehörenden Verpflichtungen, mithin auch jene, auf denen die beiden Rückstellungen beruhten. Als Kaufpreis wurde der nach handelsrechtlichen Grundsätzen zu ermittelnde Buchwert zuzüglich einer Vergütung von 2 Mio. DM für im Betriebsvermögen enthaltene stille Reserven vereinbart.
In ihrer Handelsbilanz zum 31.1.2001 wies die GmbH aus der Betriebsübertragung einen Gewinn von 2 Mio. DM aus. In der Steuerbilanz brachte sie hiervon als "steuerliches Mehrkapital" den Betrag von 3 452 040 DM (Summe der beiden Rückstellungen) in Abzug und errechnete auf diese Weise einen Veräußerungsverlust von 1 452 040 DM. Den Grund für den Abzug sah sie darin, dass sich die steuerlich bis dahin nicht erfassten Verluste bzw. Verbindlichkeiten aus den beiden Rückstellungen mit der Betriebsübertragung durch den entsprechenden Kaufpreisabschlag für sie realisiert hätten und insoweit steuerlich zu berücksichtigender Aufwand entstanden sei.
Der BFH gibt der GmbH Recht. Eine den Veräußerungsgewinn erhöhende Hinzurechnung der steuerlich nicht erfassten Rückstellungsbeträge zum Veräußerungspreis führt zu einem unzutreffenden Ergebnis, weil dadurch steuerlich unberücksichtigt bleibt, dass sich die mit den betreffenden Verbindlichkeiten verbundenen Verluste von 3 452 040 DM für die GmbH mit der kaufpreisreduzierenden Übertragung auf die A-GmbH endgültig realisiert haben. Handelsrechtlich haben sich die Verluste bereits zum Zeitpunkt der Bildung der Rückstellungen in voller Höhe ergebnismindernd ausgewirkt. Durch die steuerlichen Rückstellungsverbote soll die vorgezogene Erfassung der bislang nur drohenden Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 5 Abs. 4a EStG) und der noch nicht ausbezahlten Jubiläumszuwendungen (§ 5 Abs. 4 EStG) steuerbilanziell vermieden werden. Die Rückstellungsverbote besagen jedoch nicht, dass die Verluste auch im Fall ihrer tatsächlichen Realisierung nicht steuerwirksam werden sollen. Da die mit den Verlusten verbundene Vermögensminderung steuerlich bislang nicht erfasst worden ist, ist sie im Rahmen der Bemessung des Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 17.10.2007, I R 61/06.