Leitsatz
Der An- und Verkauf von Wertpapieren überschreitet grundsätzlich noch nicht den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung, wenn die entfaltete Tätigkeit nicht dem Bild eines "Wertpapierhandelsunternehmens" i.S. des § 1 Abs. 3d Satz 2 KWG bzw. eines "Finanzunternehmens" i.S. des § 1 Abs. 3 KWG vergleichbar ist.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige ist selbstständiger Steuerberater. Er tätigte unter Einsatz privater Mittel sowie erheblicher Darlehen eine Vielzahl von An- und Verkäufen von Wertpapieren (Aktien, Optionen, festverzinsliche Papiere) und Metallen. Diese Transaktionen wickelte er über sechs verschiedene Banken ab. Die notwendigen Informationen beschaffte er sich teils über die Banken, teils über Wirtschaftsnachrichten einschlägiger TV-Sender. Dazu hatte er in seiner Kanzlei einen Fernseher aufgestellt. Darüber hinaus wurde er kostenlos von einem pensionierten Bankdirektor beraten. Die aus den Geschäften per saldo erlittenen Vermögenseinbußen machte der Steuerberater als Verluste aus gewerblichem Wertpapierhandel geltend. Das Finanzamt lehnte den Abzug mit dem Hinweis ab, er habe die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten. Klage und Revision hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Ob eine Tätigkeit noch der privaten Vermögensverwaltung zuzuordnen ist, lässt sich nicht für alle Wirtschaftsgüter nach einheitlichen Maßstäben beurteilen. Vielmehr sind die jeweiligen artspezifischen Besonderheiten zu beachten. Der Vermögensanlage in Wertpapieren ist eigen, dass die Fruchtziehung nicht notwendigerweise im Zufluss von Zinsen und Dividenden besteht, sondern sich die Ertragserwartung des Anlegers wirtschaftlich auch aus der Kursentwicklung ergeben kann. Die Verkehrsauffassung sieht die Umschichtung von Wertpapieren – selbst in erheblichem Umfang – regelmäßig als noch zur privaten Vermögensverwaltung gehörig an. Gewerblichkeit kann nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden. Solche Umstände liegen hier nicht vor. Etwas anderes folgt weder aus der Zahl und dem Umfang der Geschäfte noch aus der hohen Fremdfinanzierungsquote und dem Einsatz eines Fernsehers. Entscheidend ist, dass die Betätigung des Steuerpflichtigen nicht dem (professionellen) Bild des Wertpapierhandelsunternehmens nach § 1 Abs. 3d Satz 2 KWG oder des Finanzunternehmens nach § 1 Abs. 3 KWG entsprach.
Praxishinweis
Für die Abgrenzung einer gewerblichen Tätigkeit von der privaten Vermögensverwaltung kommt es entscheidend auf die Gesamtumstände des Einzelfalles und die Verkehrsanschauung an. Angesichts der in der Wirklichkeit vorzufindenden "schillernden" Vielzahl verschiedenartigster Gewerbebetriebe lässt sich abstrakt kein "typisches Bild des Gewerbes an sich" festmachen. Es ist deshalb geboten, den zu entscheidenden Fall mit den konkreten, empirisch vorgefundenen "Bildern" solcher gewerblicher Betätigungen abzugleichen, die der zu beurteilenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen möglichst nahe kommen. Bei Wertpapiergeschäften sind die einschlägigen Vergleichsbilder die des Wertpapierhandelsunternehmens und des Finanzunternehmens i.S. des KWG. Deren "Bildern" entsprach die hier zu beurteilende Betätigung des Steuerpflichtigen nicht: Charakteristisch für ein Wertapierhandelsunternehmen ist ein Tätigwerden "für andere", d.h. für "fremde Rechnung". Daran fehlte es hier, weil der Steuerpflichtige seine Transaktionen allein für "eigene Rechnung" vornahm. Kennzeichnend für ein Finanzunternehmen ist der (Eigen-)Handel mit institutionellen Geschäftspartnern, woran es im streitigen Fall ebenfalls mangelte, da der Steuerpflichtige seine Geschäfte ausschließlich über seine Depotbanken abwickelte.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 30.7.2003, X R 7/99