Leitsatz

Hat der Steuerpflichtige das Recht zum Bezug einer sofort beginnenden Leibrente gegen fremdfinanzierten Einmalbeitrag erworben, so setzt die Anerkennung von Werbungskostenüberschüssen voraus, dass der Steuerpflichtige über die mutmaßliche Gesamtdauer der Vermögensnutzung (Rentenzahlungen) voraussichtlich einen Überschuss der mit dem Ertragsanteil steuerpflichtigen Renteneinnahmen i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG über die zu prognostizierenden Werbungskosten erzielt.

 

Sachverhalt

Die 1939 geborene Steuerpflichtige schloss 1993 mit einer britischen Gesellschaft zwei Leibrentenversicherungen gegen Einmalbeiträge ab. Die Rentenzahlungen waren ab 2.10.1993 halbjährlich bis zum Tod des längstlebenden Rentenberechtigten, mindestens aber 15 Jahre zu zahlen. Als weitere Rentenberechtigte setzte sie für den Vertrag I die 1938 geborene S und für den Vertrag II die 1933 geborene F ein. Die Steuerpflichtige finanzierte die Einmalbeiträge durch zwei Bankdarlehen, die mit effektiv 8,61 % zu verzinsen und mit 4,1 % jährlich zuzüglich ersparter Zinsen zu tilgen waren. Zur Sicherung der Darlehen trat sie ihre Ansprüche aus den Rentenverträgen sowie aus einer gleichzeitig abgeschlossenen Risiko-Lebensversicherung an die Bank ab. Für die Streitjahre 1993 und 1994 machte die Steuerpflichtige jeweils Werbungskostenüberschüsse bei ihren Rentenbezügen geltend. Das Finanzamt lehnte deren Berücksichtigung ab, weil die Steuerpflichtige nicht die Absicht verfolgt habe, einen Totalüberschuss zu erzielen. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte teilweise Erfolg.

 

Entscheidung

Die Renteneinkünfte unterfallen wegen des Welteinkommensprinzips der deutschen Besteuerung[1].

Die Erzielung von Einkünften aus Leibrenten i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG setzt die Absicht voraus, auf die voraussichtliche Dauer der Vermögensnutzung einen Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen[2]. Die Einkünfteerzielungsabsicht ist für jede Einkunftsquelle, also für beide Rentenversicherungen, gesondert festzustellen. Bei der erforderlichen Überschussprognose sind allein die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbaren Verhältnisse zu berücksichtigen[3]. Für die Ermittlung der voraussichtlichen Rentenlaufzeit ist die neueste im Zeitpunkt des Vertragsschlusses verfügbare Sterbetafel des Statistischen Bundesamts heranzuziehen. Insoweit genügt auch eine sog. "abgekürzte Sterbetafel". Im Streitfall ist die abgekürzte Sterbetafel 1988/1990 maßgebend.

Der Ertragsanteil ist für die Zeit ab 1994 mit dem Wert anzusetzen, der sich aus der zum 1.1.1994 neu gefassten Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ergibt. Die durch das Alterseinkünftegesetz[4] mit Wirkung ab 1.1.2005 erneut geänderte Ertragsanteilstabelle ist hingegen nicht zu berücksichtigen, da diese Änderung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht absehbar war. Nach der ab 1994 geltenden Tabelle beträgt der Ertragsanteil 40 %, weil die Steuerpflichtige als jüngste Berechtigte bei Beginn der Rente das 53. Lebensjahr vollendet hatte; bis 1993 waren es hingegen lediglich 37 %. Als "Beginn der Rente" ist dabei der Zeitpunkt des Entstehens des Rentenanspruchs anzusehen.

Der als Finanzierungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sofort abziehbare Teil der von der Steuerpflichtigen an den Vermittler gezahlten Provision ist im Regelfall auf 2 % des Darlehensbetrags beschränkt[5].

 

Praxishinweis

Das Urteil enthält dezidierte – hier nur kursorisch wiedergegebene – Ausführungen darüber, nach welchen Grundsätzen die gebotene Totalüberschussprognose vorzunehmen ist, insbesondere welche voraussichtlichen Werbungskosten in welcher Höhe in eine solche Prognose einzubeziehen sind. Das Urteil liefert damit wertvolle Erkenntnisse für die Ermittlung der Überschusserzielungsabsicht bei allen derzeit am Markt angebotenen Rentenkombinationsprodukten, deren Kern im Erwerb einer – meist sofort beginnenden – Leibrente gegen einen in vollem Umfang fremdfinanzierten Einmalbeitrag besteht.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 16.9.2004, X R 25/01

[4] Gesetz vom 5.7.2004, BGBl I 2004, S. 1427
[5] Vgl. BFH-Urteil vom 16.9.2004, X R 19/03, INF 2005, S. 47

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