Das steht im Urteil
- Sind Versorgungsbezüge in Höhe eines festen Betrages zugesagt, der im Verhältnis zu den Aktivbezügen am Bilanzstichtag überhöht ist (sog. Überversorgung), so ist die nach § 6a EStG zulässige Rückstellung für Pensionsanwartschaften nach Maßgabe von § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 4 EStG unter Zugrundelegung eines angemessenen Vomhundertsatzes der jeweiligen letzten Aktivbezüge zu ermitteln. Eine Überversorgung ist hiernach regelmäßig anzunehmen, wenn die Versorgungsanwartschaft zusammen mit der Rentenanwartschaft aus der gesetzlichen Rentenversicherung 75 % der am Bilanzstichtag bezogenen Aktivbezüge übersteigt (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung des BFH).
- Eine Überversorgung ist aus steuerrechtlicher Sicht regelmäßig auch dann gegeben, wenn die Versorgungsanwartschaft trotz dauerhaft abgesenkter Aktivbezüge unverändert beibehalten und nicht ihrerseits gekürzt wird. Darauf, ob die Kürzung der Anwartschaft nach arbeitsrechtlichen Maßgaben zulässig ist, kommt es nicht an.
Der Sachverhalt
Eine 1991 errichtete GmbH erteilte 1994 ihren acht mit je 11 % beteiligten Gesellschaftern, die zugleich Arbeitnehmer waren, Pensionszusagen, die jeweils weniger als 75 % der Aktivbezüge betrugen. Das Finanzamt erkannte die Rückstellung an. Nachdem die GmbH in 2000 in eine Krise geraten war, beschloss die Gesellschafterversammlung, die Gehälter der Gesellschafter um je 20 % zu senken. Die Pensionszusagen wurden nicht gekürzt und lagen seitdem zum Teil über 75 % der Aktivbezüge. Zu einer wirtschaftlichen Erholung der GmbH kam es nicht mehr. Das Finanzamt kürzte die Rückstellung wegen Überversorgung. Die dagegen erhobene Klage war erfolgreich.
Die Entscheidung des BFH
Der BFH hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Die Sperre der Überversorgung wirkt absolut und verhindert den vollen Wertansatz der Pensionsanwartschaft. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich eine zunächst vorübergehende Gehaltssenkung als "Überversorgungsmaßstab" als faktisch dauerhafte Gehaltssenkung entpuppt.
Hinweis
Der BFH bekräftigt seine Rechtsprechung zur Überversorgung. Typisierend wird angenommen, dass die Anwartschaft nicht mehr als 75 % des letzten Aktivlohns am Bilanzstichtag ausmachen darf. Eine Überversorgung entsteht sofort, wenn dieser Maßstab nicht mehr eingehalten wird. Nur eine vorübergehende Gehaltssenkung – wohl während weniger Monate – ist unschädlich.
Kommentar
Der Teilwertansatz nach § 6a EStG hat Vorrang gegenüber Handels- wie Arbeitsrecht. Es kommt folglich nicht darauf an, ob es sich um "normale" Arbeitnehmer handelt, die ggf. dem BetrAVG unterfallen, oder um Gesellschafter-Geschäftsführer, für die dieses unbeachtlich sein kann.
Wie eine Pensionsanwartschaft bei Überversorgung zu bewerten ist, lässt der BFH offen; er stellt nur die derzeit diskutierten Bewertungsansätze vor: Überversorgungsbeträge können danach ermittelt werden aus Basis
- des am Bilanzstichtag aktuell bezogenen Gehalts,
- des in der Vergangenheit vereinbarten und gezahlten Gehalts oder
- eines Durchschnittswerts unter Berücksichtigung bereits erdienter Versorgungsansprüche.
Nur Letzteres dürfte interessengerecht sein: Das "Mischgehalt" bildet die richtige Bezugsgröße für die Bewertungsbegrenzung nach Herabsetzung der Anwartschaft. Dadurch bleibt bei einer endgehaltsunabhängigen Zusage der vor Eintritt der Überversorgung erdiente Anwartschaftsteil von der Herabsetzung verschont. Gleiches gilt letztlich auch für eine endgehaltsabhängige Zusage. Zu gewärtigen ist allerdings, dass bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer ein gesellschaftlich veranlasster Verzicht auf den bereits erdienten Anwartschaftsteil angenommen werden könnte. Das wiederum zöge bei Werthaltigkeit der Anwartschaft eine verdeckte Einlage nach sich. Dies lässt sich vermeiden, wenn für die Zeit vor und nach der Herabsetzung entsprechende Teilanwartschaften gebildet werden und daraus die Gesamtanwartschaft berechnet wird.
Die Folgen einer Überversorgung können abgewendet werden, wenn das Gehaltsniveau unberührt bleibt, die Liquidität des Arbeitgebers aber geschützt wird, indem der Arbeitnehmer einer Barlohnumwandlung zustimmt. Dann erhält er die Versorgungsanwartschaft ungeschmälert und erleidet insoweit keinen Versorgungsnachteil. Eine Überversorgung scheidet aus, weil er die Anwartschaft mit eigenem Geld "anfüttert".
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 27.3.2012, I R 56/11