Leitsatz
- Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft überwiegen die anderen Einkünfte, wenn sie höher sind als diese.
- Sind die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft negativ, überwiegen die anderen Einkünfte, wenn diese positiv oder in geringerem Umfang negativ sind.
- Werden andere Einkünfte in zwei oder mehreren Einkunftsarten erzielt, kommt es für den Vergleich auf die Summe oder, wenn darunter nicht nur positive Einkünfte sind, den Saldo der anderen Einkünfte an.
Sachverhalt
Streitig ist der Beginn des Zinslaufs nach § 233a Abs. 2 AO, wenn neben negativen Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zwar höhere Einkünfte in anderen Einkunftsarten erzielt wurden, eine Verrechnung mit Verlusten aus einer weiteren Einkunftsart jedoch einen Saldo ergibt, der niedriger ist als die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Für die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eheleute ermittelte das Finanzamt folgende Einkünfte:
Einkünfte aus |
Ehemann |
Ehefrau |
Landwirtschaft |
– 1247025 DM |
0 DM |
Gewerbebetrieb |
– 571320 DM |
– 11265 DM |
Selbständige Arbeit |
50860 DM |
0 DM |
Nichtselbst. Arbeit |
4174 326 DM |
7600 DM |
Kapitalvermögen |
571053 DM |
– 35953 DM |
Vermietung |
– 13967754 DM |
– 403274 DM |
Gesamtbetrag |
– 10989860 DM |
– 442892 DM |
Aufgrund der darauf ergangenen Änderungsbescheide ergab sich eine Einkommensteuererstattung von 4170564 DM, für die das Finanzamt auf der Grundlage einer Karenzzeit von 21 Monaten wegen überwiegender landwirtschaftlicher Einkünfte Erstattungszinsen festsetzte. Dagegen machten die Kläger im Einspruchs- und Klageverfahren erfolglos geltend, die Karenzzeit habe nur 15 Monate betragen, da ihre landwirtschaftlichen Einkünfte die anderen Einkünfte nicht überwogen hätten. Mit der Revision verfolgen sie ihr Begehren weiter.
Entscheidung
Auch nach Auffassung des BFH begann der Zinslauf nach § 233a Abs. 2 Satz 2 AO erst 21 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden war, weil die landwirtschaftlichen Einkünfte bei der erstmaligen Steuerfestsetzung die anderen Einkünfte überwogen hatten. Positive Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft überwiegen im Sinne der Vorschrift schon nach dem Wortlaut dann, wenn sie höher sind als die Summe der anderen Einkünfte. Die Vorschrift knüpft damit an die Höhe der Einkünfte an, die mit abnehmenden Verlusten bzw. zunehmenden Gewinnen steigt sowie umgekehrt mit zunehmenden Verlusten oder abnehmenden Gewinnen sinkt. Infolgedessen überwiegen im Streitfall – ohne Berücksichtigung der weiteren Einkünfte – die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nicht.
Die Vorschrift stellt die landwirtschaftlichen Einkünfte für die Frage des Überwiegens den "anderen Einkünften" gegenüber; danach kann es schon nach dem Wortlauf nicht darauf ankommen, ob jeweils einzelne dieser Einkunftsarten die landwirtschaftlichen Einkünfte überwiegen; vielmehr setzt die Feststellung des Überwiegens voraus, ob der Saldo der anderen Einkunftsarten – wie hier – höher ist als die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Für diese wortlautorientierte Auslegung spricht auch der im Interesse einer einfachen Regelung typisierende Charakter der Vorschrift, die auf die Berücksichtigung im Einzelfall möglicher Abweichungen verzichtet und deshalb ausschließlich an den Verhältnissen der Erstveranlagung – ungeachtet späterer Änderungen – orientiert ist.
Praxishinweis
Mit der Entscheidung hat der BFH die im Schrifttum vertretene Auffassung, dass für die Frage des "Überwiegens" allein auf die Größe der Zahlen unabhängig davon, ob diese positiv oder negativ sind, abzustellen ist und es damit nicht darauf ankommen soll, ob der Schwerpunkt der Tätigkeit durch hohe Gewinne oder durch hohe Verluste dokumentiert wird, übernommen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 13.7.2006, IV R 5/05