Leitsatz (amtlich)
Sagt das FA in der mündlichen Verhandlung im Wege tatsächlicher Verständigung zu, die angefochtenen Einkommensteuerbescheide unter Ansatz geringerer gewerblicher Einkünfte zu ändern und wird daraufhin übereinstimmend der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, hindert dies die Kläger nicht, bis zur formellen Bestandskraft der Änderungsbescheide statt der bisherigen Zusammenveranlagung die getrennte Veranlagung zu wählen.
Sachverhalt
Die Kläger wurden für die Kalenderjahre 1984 bis 1989 zusammen zur ESt veranlagt. Gegen die für die Streitjahre erlassenen geänderten Steuerbescheide vom 10.11.1992 erhoben sie nach erfolglosem Einspruch aus nicht mehr streitigen Gründen Klage. In der mündlichen Verhandlung vom 1.10.1996 verpflichtete sich das Finanzamt, die angefochtenen Steuerbescheide zu ändern und geringere Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusetzen. Die Beteiligten erklärten daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Am 18.2.1997 erließ das Finanzamt die zugesagten Änderungsbescheide. Am 5.3.1997 beantragten die Kläger beim Finanzamt, für die Streitjahre getrennte Veranlagungen durchzuführen. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.
Entscheidungsgründe
Nach § 26 EStG können Ehegatten unter den weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung wählen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können sie dieses Wahlrecht bis zur Unanfechtbarkeit eines Berichtigungs- oder Änderungsbescheides ausüben und die einmal getroffene Wahl innerhalb dieser Frist - vorbehaltlich rechtsmissbräuchlichen oder willkürlichen Verhaltens - frei widerrufen. Die Kläger haben ihren Antrag auf getrennte Veranlagung am 5.3.1997 gestellt, demnach vor Bestandskraft der am 18.2.1997 ergangenen geänderten ESt-Bescheide für die Streitjahre.
Die in der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 1.10.1996 abgegebenen übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Kläger und des Finanzamts stehen dem Antrag auf getrennte Veranlagung nicht entgegen. Zwar endete mit der Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen die Rechtshängigkeit der Hauptsache und die ursprünglichen Änderungsbescheide vom 10.11.1992 wurden damit bestandskräftig. Nicht erfasst von diesen Erklärungen sind indessen die Bescheide vom 18.2.1997, mit denen die in der mündlichen Verhandlung getroffene tatsächliche Verständigung umgesetzt wurde und die nicht Streitgegenstand dieses Prozesses waren. Auch § 351 Abs. 1 AO steht einer Änderung der Veranlagungsart nicht entgegen. Diese Vorschrift bestimmt, dass Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit angegriffen werden können, als die Änderung reicht. Die ESt-Bescheide vom 18.2.1997 änderten die bestandskräftigen ESt-Bescheide vom 10.11.1992. Da es sich um Änderungen zugunsten der Kläger handelte, waren die geänderten Bescheide grundsätzlich nicht mehr angreifbar. § 351 Abs. 1 AO begrenzt aber nur den Umfang der Anfechtung eines Steuerbescheides. Das Begehren auf Änderung der Veranlagungsart ist jedoch nicht als Anfechtung zu verstehen, sondern als ein auf Durchführung einer erneuten Veranlagung gerichtetes Verpflichtungsbegehren. Die im Zusammenhang mit der Änderung eines Steuerbescheides erneut ausgeübte Wahl der Veranlagungsart löst nur die Rechtsfolgen der §§ 26a bis 26c EStG aus, lässt im Übrigen aber die Besteuerungsgrundlagen unverändert.
Eine Beschränkung des Wahlrechts nach § 26 EStG ist auch nicht durch die Vereinbarung der Kläger mit dem Finanzamt in der mündlichen Verhandlung vom 1.10.1996 eingetreten. Zwar haben sich die Beteiligten unter diesem Datum tatsächlich darüber verständigt, den Rechtsstreit in der Weise zu erledigen, dass das Finanzamt geänderte ESt-Bescheide für die Streitjahre erlässt, denen geringere gewerbliche Einkünfte zugrunde liegen als bisher geschätzt; Inhalt dieser Verständigung war aber nicht eine bestimmte Veranlagungsart. Der Vereinbarung kann nicht entnommen werden, dass das Finanzamt die Änderung der Bescheide nur für den Fall der Zusammenveranlagung zugesagt hat. Die Beteiligten haben sich lediglich auf einen bestimmten Sachverhalt geeinigt, der den Besteuerungsgrundlagen zugrunde liegen soll, nicht dagegen darauf, dass die Kläger das Veranlagungswahlrecht in bestimmter Weise ausüben.
Link zur Entscheidung
BFH vom 24.1.2002 – III R 49/00