Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Tritt der den doppelten Haushalt führende Ehegatte die wöchentliche Familienheimfahrt aus privaten Gründen nicht an, sind die Aufwendungen für die stattdessen durchgeführte Besuchsfahrt des anderen Ehegatten zum Beschäftigungsort keine Werbungskosten.
Sachverhalt
Die Eheleute M und F lebten in A. M war in A selbstständig tätig. F war als leitende Angestellte in B beschäftigt und hatte dort eine Wohnung. An den Wochenenden reiste F entweder per Kfz oder Flugzeug nach A. M besuchte F ebenfalls mehrfach in B. F machte Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in B geltend.
Das Finanzamt berücksichtigte die Unterkunfts-, Fahrt- und Flugkosten, aber nicht die geltend gemachten Aufwendungen des M für dessen Reisen nach B.
Einspruch, Klage und Revision blieben erfolglos.
Entscheidung
Eine "umgekehrte Familienheimfahrt" liegt vor, wenn nicht der am Beschäftigungsort tätige Ehegatte zum Familienwohnsitz zurückkehrt, sondern stattdessen der am Familienwohnsitz wohnende Ehegatte den Gatten am Beschäftigungsort besucht.
Die steuerliche Berücksichtigung dieses Sachverhalts ist unter drei Aspekten zu prüfen:
- im Hinblick auf die Spezialnorm für Familienheimfahrten,
- auf die allgemeine Grundnorm des Werbungskostenabzugs sowie
- auf Art. 6 Abs. 1 GG.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG gehören zu den Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen wegen einer beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung. Dazu rechnen auch Aufwendungen für Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und zurück, die aber jeweils nur für eine Familienheimfahrt wöchentlich abziehbar sind. Solche lagen hier nicht vor, daher kam auch kein Abzug auf dieser Grundlage in Betracht.
Die Reisekosten von M nach B ließen sich auch nicht als Werbungskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG begreifen. Laut FG hatte F die Familienheimfahrten aus privaten Gründen nicht angetreten. Damit fehlte ein beruflicher Veranlassungszusammenhang, der im Rahmen der doppelten Haushaltsführung hätte berücksichtigt werden können. Offen bleibt, wie zu entscheiden wäre, wenn F die wöchentliche Familienheimfahrt aus beruflichen Gründen nicht angetreten hätte.
Die Berücksichtigung der doppelten Haushaltsführung steht bei beiderseits berufstätigen Ehegatten von Verfassungs wegen nicht zur Disposition des Gesetzgebers. Diesen Grundsätzen ist noch entsprochen, wenn § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG nur die Familienheimfahrten zum Lebensmittelpunkt der Ehegatten berücksichtigt. Daher bleibt eine Reise an den Beschäftigungsort des Ehegatten ungeachtet der doppelten Haushaltsführung eine private Wochenendreise.
Link zur Entscheidung
BFH, 2.2.2011, VI R 15/10.