Leitsatz

Eine verbindliche Entscheidung über die Einkünfte eines betrieblich an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft beteiligten Gesellschafters ist sowohl ihrer Art als auch ihrer Höhe nach durch das für die persönliche Besteuerung dieses Gesellschafters zuständige (Wohnsitz-)Finanzamt zu treffen.

 

Sachverhalt

Die Eheleute A waren an verschiedenen Grundstücksgesellschaften beteiligt und erzielten daraus Einkünfte, die auf der Ebene der Gesellschaften jeweils als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. von § 21 Abs. 1 EStG festgestellt wurden. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Einkünfte der Eheleute aus den Grundstücksgesellschaften im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung wegen eines von ihnen betriebenen gewerblichen Grundstückshandels in gewerbliche Einkünfte umzuqualifizieren seien. In seinem Vorlagebeschluss vom 30.10.2002[1] beabsichtigte der IX. Senat des BFH, der Auffassung des Finanzamts zu folgen, sah sich aber durch Entscheidungen anderer Senate daran gehindert. Der angerufene Große Senat des BFH folgt dem IX. Senat.

 

Entscheidung

Sind an einkommensteuerpflichtigen Einkünften mehrere Personen beteiligt und sind die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen, so sind die Einkünfte und mit ihnen in Zusammenhang stehenden anderen Besteuerungsgrundlagen regelmäßig einheitlich und gesondert festzustellen[2]. Das gilt auch für den Fall, dass sich mehrere Personen zu einer Personengesellschaft zusammenschließen, um in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen. Im Feststellungsverfahren ist verbindlich zu entscheiden, um welche Einkunftsart es sich handelt.

Umstritten war bislang, ob dies auch dann gilt, wenn die vermögensverwaltende Personengesellschaft als sog. Zebragesellschaft Grundstücksgeschäfte tätigt, die in der Person eines der Gesellschafter wegen der von ihm verwirklichten Besteuerungsmerkmale einen gewerblichen Grundstückshandel darstellen. Drei Ansätze sind denkbar:

  • Umqualifizierung auf der Ebene der vermögensverwaltenden Gesellschaft: Dagegen hatte der IX. Senat bereits geltend gemacht, dass die Art der Einkünfte durch die Tätigkeit der Gesellschaft bestimmt wird.
  • Pingpong-Lösung des III. Senats in Form wechselbezüglicher verbindlicher Feststellungen: Dagegen spricht, dass es dafür keine Rechtsgrundlage gibt. Grundlagenwirkung kommt nur dem Feststellungsbescheid zu.
  • Umqualifizierung auf der Ebene der Gesellschafter.

Der letztgenannten Auffassung, die auf der einschlägigen Praxis der Finanzverwaltung beruht, folgt auch der Große Senat des BFH: Die verbindliche Entscheidung über die Einkünfte des betreffenden Gesellschafters ist sowohl ihrer Art als auch ihrer Höhe nach nicht im Feststellungsverfahren für die Gesellschaft durch das für die Gesellschaft zuständige Finanzamt, sondern im Veranlagungsverfahren für den Gesellschafter durch dessen Wohnsitzfinanzamt zu treffen. Für diese Auffassung sprechen die Wertungen, die dem Steuergeheimnis zugrunde liegen, sowie der Ordnungszweck des Feststellungsverfahrens, verbindliche Entscheidungsvorgaben für alle an der Einkunftsquelle Beteiligten zu liefern. Das Einbeziehen der persönlich vom jeweiligen Gesellschafter verwirklichten Tatbestandsmerkmale würde dazu nötigen, die notwendigen Informationen bei den Wohnsitzfinanzämtern zu beschaffen.

 

Praxishinweis

Die Entscheidung klärt eine der wichtigsten Grundsatzfragen der letzten Jahre. Praktisch besonders bedeutsam ist vor allen Dingen, was der Große Senat zur Reichweite der Feststellungswirkung des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) AO ausführt. Denn diese ist stets nur auf die gemeinschaftlich verwirklichten Tatbestandsmerkmale zu beziehen, nicht aber auf Tatbestandsmerkmale außerhalb der Beteiligung im Bereich der persönlichen Einkünfteerzielung: "Diese Tatbestandsmerkmale treten … zu den verbindlich festgestellten Besteuerungsmerkmalen im Bereich der persönlichen Tatbestandsverwirklichung des Gesellschafters hinzu". Die Grundlagenentscheidung wird zwar weiterhin als richtig anerkannt, erscheint auf der Ebene der Gesellschafter aber in einem anderen Licht[3].

 

Link zur Entscheidung

BFH-Beschluss vom 11.4.2005, GrS 2/02

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