Leitsätze (amtlich)

  1. Als "Umsätze für die Seeschifffahrt" sind u.a. sonstige Leistungen steuerbefreit, die für den unmittelbaren Bedarf bestimmter Wasserfahrzeuge, einschließlich ihrer Ausrüstungsgegenstände und ihrer Ladungen, bestimmt sind.
  2. Dabei kommen nur sonstige Leistungen in Betracht, die (unmittelbar) an Unternehmer der Seeschifffahrt bewirkt werden.
 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Organträgerin einer GmbH. Die GmbH erbrachte in den Streitjahren 1993 und 1994 gegenüber der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord (WSD) aufgrund eines Vertrages von 1990 folgende Leistungen: Versetzen und Ausholen von Seelotsen an den für das Revier ausgewiesenen Positionen; Beförderung von Seelotsen zum Zwecke des Nachschubes und Abschöpfens zwischen den Häfen und den einzelnen Stationen; laufende Unterhaltung und Betrieb der landfesten Lotseneinrichtungen einschließlich Inventar und Zubehör. Die Beförderung der Seelotsen erfolgte zwischen verschiedenen Anlegestellen. Diese befanden sich innerhalb von drei Seemeilen von der jeweiligen Küste entfernt. Die Klägerin nahm steuerfreie "Umsätze für die Seeschifffahrt" gemäß § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG an. Das Finanzamt behandelte hingegen diese Umsätze mit dem ermäßigten Steuersatz als steuerpflichtig. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt[1]. Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.

 

Entscheidungsgründe

Das FG hat zutreffend entschieden, dass die hier zu beurteilenden Umsätze als "im Inland" erbrachte Leistungen[2] anzusehen sind und die Voraussetzungen der Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind. Entgegen der Ansicht des FG sind die Umsätze aber nicht gemäß § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG steuerbefreit. Nach der Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 1 UStG 1980 "entspricht" diese Steuerbefreiung Art. 15 Nr. 4, 5 und 8 der Richtlinie 77/388/EWG[3].

Der EuGH hat zur Auslegung von Art. 15 Nr. 8 der Richtlinie 77/388/EWG (lediglich) entschieden, dass es sich bei den nach dieser Bestimmung von der Steuer befreiten Leistungen "nur um solche handelt, die unmittelbar mit dem Bedarf der Seeschiffe und deren Ladungen zusammenhängen, d.h. um Leistungen, die für den Betrieb dieser Schiffe notwendig sind". Das sei bei der Einrichtung von Geldspielautomaten, die der Unterhaltung der Passagiere dienen sollten und als solche in keinem inneren Zusammenhang mit dem Bedarf der Seeschifffahrt stünden, nicht der Fall[4]. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des EuGH Art. 15 Nr. 4 der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass "Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung von Schiffen" nur Lieferungen an einen Betreiber von Schiffen sind, der diese Gegenstände zur Versorgung der Schiffe verwendet, und nicht die Lieferungen dieser Gegenstände, die auf einer vorhergehenden Handelsstufe erfolgen[5].

Die Auslegungsgrundsätze des EuGH zu Art. 15 Nr. 4 der Richtlinie 77/388/EWG gelten gleichermaßen für Art. 15 Nr. 8 der Richtlinie 77/388/EWG, der - wie § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG - eine Steuerbefreiung für Dienstleistungen (sonstige Leistungen) vorsieht, die für den unmittelbaren Bedarf der in Art. 15 Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG bezeichneten Schiffe bzw. der in § 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG bezeichneten Wasserfahrzeuge bestimmt sind. Denn die vom EuGH zur (engen) Auslegung des Art. 15 Nr. 4 der Richtlinie 77/388/EWG angeführte Begründung ist ohne weiteres auf Art. 15 Nr. 8 der Richtlinie 77/388/EWG zu übertragen. Deshalb kommt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 2 UStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG nur für Umsätze in Betracht, die (unmittelbar) an Unternehmer der Seeschifffahrt bewirkt werden.

Da im Streitfall die Klägerin die Leistungen nicht unmittelbar an Unternehmer der Seeschifffahrt erbracht hat, sondern an die WSD, scheidet eine Steuerbefreiung dieser Leistungen nach § 4 Nr. 2 UStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 UStG aus. Dass die WSD diese Leistungen ihrerseits (in einer Leistungskette) an Unternehmer der Seeschifffahrt "weitergereicht" hat, ist nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH unerheblich.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 6.12.2001 – V R 23/01

[1] Vgl. FG Hamburg, Urteil vom 15.12.2000,I377/99, EFG 2001, S. 658
[3] Vgl. BT-Drs. 8/1779, S. 37
[4] Vgl. EuGH-Urteil vom 4.7.1985, Rs. C-168/84 (Berkholz), Slg. 1985 I-2251, Rn. 21
[5] Vgl. EuGH-Urteil vom 26.6.1990, Rs. C-185/89 (Velker International Oil Company), Slg. 1990 I-2577

Dieser Inhalt ist unter anderem im WohnungsWirtschafts Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?