Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft gilt auch bei bestimmten Bauleistungen, wenn der leistende Unternehmer ein im Inland ansässiger Unternehmer ist. Zu den Bauleistungen gehören Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Dabei ist der Begriff des Bauwerks weit auszulegen.[1]

Ausgenommen sind ausdrücklich Planungs- und Überwachungsarbeiten. Hierunter fallen ausschließlich planerische Leistungen (z.B. von Statikern, Architekten, Garten- und Innenarchitekten, Vermessungsprüf- und Bauingenieuren), Labordienstleistungen oder reine Leistungen zur Bauüberwachung, zur Prüfung von Bauabrechnungen und zur Durchführung von Ausschreibungen und Vergaben.

Materiallieferungen, Lieferungen von Wasser und Energie, Zurverfügungstellung von Baugeräten etc. fallen nicht unter die Regelungen zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft.

Reparatur- und Wartungsleistungen an Bauwerken oder Teilen von Bauwerken sind nicht als Bauleistungen anzusehen, wenn das (Netto-)Entgelt für den einzelnen Umsatz bis zu 500 EUR beträgt.

Werden im Rahmen eines Vertragsverhältnisses mehrere Leistungen erbracht, ist zur Beurteilung der Frage nach der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft von der zu erbringenden Hauptleistung auszugehen. Nebenleistungen teilen das Schicksal dieser Hauptleistung.

Der Leistungsempfänger ist dann Steuerschuldner, wenn er Unternehmer ist und selbst nachhaltig Bauleistungen im vorgenannten Sinne erbringt oder erbracht hat. Davon ist gemäß Finanzverwaltung[2] auszugehen, wenn der Leistungsempfänger im vorangegangenen Kalenderjahr Bauleistungen erbracht hat, deren Bemessungsgrundlage mehr als 10% der Summe der steuerbaren und nicht steuerbaren Umsätze betragen hat, oder wenn der Leistungsempfänger dem leistenden Unternehmer eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG vorlegt.

Da sich die zuvor genannte10%-Umsatzgrenze auf die steuerbaren Umsätze bezieht, fallen hierunter auch die nach § 4 Nr. 12 UStG steuerbefreiten Vermietungsumsätze. Im Ergebnis bedeutet das, dass Wohnungsunternehmen, die im vorangegangenen Geschäftsjahr lediglich Bauleistungen von bis zu 10% der Summe ihrer Umsatzerlöse an Dritte erbracht haben, generell von der Umkehr der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG ausgenommen sind. Wohnungsunternehmen sind also in der Regel von der Umkehr der Steuerschuldnerschaft für bezogene Bauleistungen nicht betroffen.

Mit BMF-Schreiben vom 16.10.2009 – geändert durch BMF-Schreiben vom 11.3.2010 – hat die Finanzverwaltung zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, der selbst Bauleistungen erbringt, Stellung genommen (vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt 13b.3. UStAE). Nach der geänderten Auffassung der Finanzverwaltung soll der Verkauf von Wohnungen durch ein Bauträgerunternehmen eine Bauleistung darstellen, wenn der Kaufvertragsabschluss mit dem Wohnungserwerber vor Baufertigstellung erfolgt (vgl. Abschnitt 13b.3. Abs. 8 UStAE).

Vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg ist ein Verfahren anhängig, in dem sich der Kläger gegen die derzeitige Verwaltungsauffassung wendet.[3] Das im Vorfeld geführte Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung war erfolgreich.[4] Auch der BFH hat Zweifel, ob die deutsche Regelung zum Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger bei Bauleistungen mit dem Unionsrecht vereinbar ist, und hat dem EuGH daher diverse Fragen zu § 13b UStG zur Vorabentscheidung vorgelegt.[5]

Der EuGH hat mit Urteil vom 13.12.2012 entschieden, dass die Ermächtigung zur Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens dahingehend auszulegen ist, dass der Begriff der "Bauleistungen" in dieser Bestimmung neben den (Bau-)Dienstleistungen (sonstige Leistungen) auch (Werk-)Lieferungen umfasst.[6] Weiterhin sei Deutschland berechtigt, das Reverse-Charge-Verfahren nur teilweise für bestimmte Untergruppen, wie einzelne Arten von Bauleistungen, und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben. Bei der Bildung dieser Untergruppen müssen jedoch der Grundsatz der steuerlichen Neutralität sowie die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit, beachtet werden. Es ist nun Sache des BFH, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu überprüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist, und gegebenenfalls die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die nachteiligen Folgen einer gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit oder der Rechtssicherheit verstoßenden Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften auszugleichen.

Die Umkehr der Steuerschuldnerschaft kann auch dann eintreten, wenn Wohnungsunternehmen als städtebauliche Sanierungs- oder Entwicklungsträger tätig werden und deshalb Bauleistungen im eigenen Namen und für fremde Rechnung erbringen, so dass der Tatbestand der sog. Dienstleistungskommission nach § 3 Abs. 11 UStG erfüllt ist. In ...

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