Leitsatz

Nimmt der Schuldner während des Insolvenzverfahrens eine neue Erwerbstätigkeit auf, indem er durch seine Arbeit und mit Hilfe von nach § 811 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Gegenständen steuerpflichtige Leistungen erbringt, zählt die hierfür geschuldete Umsatzsteuer nicht nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu den Masseschulden.

 

Sachverhalt

Streitig ist, ob die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Grund einer neuen gewerblichen Tätigkeit des Schuldners S entstandene Umsatzsteuerschuld eine Masseverbindlichkeit darstellt.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des S, der ein Bauunternehmen unter der Firma "X-Bau, Inhaber S" betrieben hatte. Mit Beschluss vom 31.3.2000 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des S eröffnet und ihm untersagt, über sein Vermögen zu verfügen. Der Insolvenzverwalter nahm den Betrieb mangels vorhandener Mittel nicht wieder auf, sondern meldete das Gewerbe mit Schreiben vom 25.7.2000 ab.

Zum 1.1.2001 meldete S ein neues Gewerbe unter der Firma "A-Bau, Inhaber S" an. Das Finanzamt teilte S eine Steuernummer zu, unter der S Umsatzsteuervoranmeldungen abgab. Trotz Aufforderung durch den Insolvenzverwalter führte S den pfändbaren Neuerwerb nicht an die Masse ab.

Da der Insolvenzverwalter keine Voranmeldung abgab, setzte das Finanzamt gegen ihn für 2002 eine Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung in Höhe von 2940 EUR fest. Das FG gab seiner Klage statt. Es war der Meinung, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Grund einer neuen gewerblichen Tätigkeit des S entstandene Umsatzsteuerschuld sei keine Masseverbindlichkeit. Das Finanzamt legte Revision ein.

 

Entscheidung

S schuldet die Umsatzsteuer auf die Umsätze mit seinem (neuen) Bauunternehmen. Ob diese zu den Masseverbindlichkeiten gehört, richtet sich u.a. nach folgenden Gesichtspunkten:

Nach § 55 Nr. 1 InsO sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden. Diese Verbindlichkeiten können nicht nur – wie das FG meint – durch Handlungen des Insolvenzverwalters, sondern auch "in anderer Weise" begründet werden.

"Verwertung der Insolvenzmasse" ist auch die ertragbringende Nutzung der zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände. Das FG hätte deshalb prüfen müssen, ob S in seinem neuen Betrieb Gegenstände einsetzte, die nach § 35 InsO zur Insolvenzmasse gehören. Dazu rechnet das gesamte Vermögen, das S zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt hat. Nicht zur Insolvenzmasse gehören aber Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen[1]. Die Umsatzsteuer aus der Erwerbstätigkeit von Personen, die durch ihre Arbeit und mit Hilfe von nach § 811 Nr. 5 ZPO unpfändbaren Gegenständen steuerpflichtige Leistungen erbringen, zählt deshalb nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht zu den Masseschulden. Das FG muss deshalb prüfen, ob S als Bauunternehmer ebenfalls zu diesem Personenkreis gehört und seine Umsätze mit Hilfe von Gegenständen erzielte, die unpfändbar waren.

 

Praxishinweis

Die Frage, ob die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch eine neue Tätigkeit des Schuldners entstandene Umsatzsteuer eine Masseverbindlichkeit ist, hat offenbar einen weitgespannten praktischen Hintergrund. Sie beschäftigt nicht nur die Finanz-, sondern auch die Zivilgerichte. Soweit möglich, sollten daher übereinstimmende Entscheidungsgrundsätze gefunden werden. Im Streitfall beschränkte sich der BFH ersichtlich auf die entscheidungserheblichen Sachverhaltsumstände zur Bestimmung der Insolvenzmasse gem. § 35 InsO und vermied darüber hinausgehende allgemeine Erörterungen. Allerdings verwies er auf den umsatzsteuerrechtlichen Ansatz für die Einordnung von Umsatzsteuer als Insolvenzmasse: Die Eigenschaft der Umsätze – insolvenzfreie Tätigkeit oder nicht –, nicht das Entgelt bestimmt die Zugehörigkeit der Umsatzsteuer zur Masse.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 7.4.2005, V R 5/04

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