Leitsatz
1. Eine Gemeinde, die nicht auf privatrechtlicher, sondern auf hoheitlicher Grundlage Stellplätze für Pkw in einer Tiefgarage gegen Entgelt überlässt, handelt als Unternehmer und erbringt steuerpflichtige Leistungen, wenn ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 KStG).
2. Eine derartige Wettbewerbsverzerrung liegt auch vor, wenn eine Gemeinde Stellplätze zwar nach §§ 45, 13 StVO öffentlich-rechtlich auf einer öffentlich-rechtlich gewidmeten "Straße" überlässt, es sich hierbei jedoch um Flächen einer Tiefgarage handelt (Änderung der Rechtsprechung).
3. Zur Bestimmung des Begriffs der "größeren Wettbewerbsverzerrungen".
Sachverhalt
Eine Gemeinde widmete die Stellplätze in ihrer Tiefgarage als Gemeindestraße. Es galt ein Parkverbot samt öffentlich-rechtlicher Gebührenordnung für Parkuhren. Gebührenpflicht bestand während der Geschäftszeiten. Das Finanzamt sah darin einen Betrieb gewerblicher Art. Das FG gab der Klage statt: Wegen der zeitlich begrenzten Gebührenpflicht gebe es keinen Wettbewerb mit Privaten. Die Revision hatte Erfolg.
Entscheidung
Eine Gemeinde ist Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, die sich aus ihrer Gesamtbetätigung heraushebt. Wird sie auf privat-rechtlicher Grundlage tätig, gelten für sie keine Besonderheiten. Wird sie auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätig, ist sie nur Unternehmer, wenn sonst größere Wettbewerbsverzerrungen auftreten würden.
Eine wirtschaftliche Tätigkeit "hebt sich aus ihrer Gesamttätigkeit heraus", wenn sie zu anderen Unternehmen unmittelbar in Wettbewerb tritt und sich von der übrigen Betätigung deutlich abgrenzt. Dies ist bei der Überlassung von Pkw-Stellplätzen in einer Tiefgarage durch eine Gemeinde der Fall.
"Größere Wettbewerbsverzerrungen" erfordern keine "erheblichen" oder "außergewöhnlichen" Wettbewerbsverzerrungen. Auch potenzieller Wettbewerb ist zu berücksichtigen. Nicht die konkrete Situation auf dem "lokalen Markt", sondern die Art der Tätigkeit ist entscheidend. Gleichwohl ist zu beachten, dass "potenzieller Wettbewerb" nicht die rein theoretische Möglichkeit ist, dass ein privater Wirtschaftsteilnehmer in den Markt eintritt.
Bei der Parkraumüberlassung ist zu unterscheiden zwischen unselbstständigen Parkflächen, die eine Einheit mit einer Straße bilden, und selbstständigen Parkflächen, die gegenüber einer Straße eine selbstständige Bedeutung haben. Diese Unterscheidung ist ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Wettbewerbsprüfung. Selbstständige Parkflächen kann – anders als in eine Straße integrierte Stellflächen – grundsätzlich auch ein privater Unternehmer vorhalten. Die Rechtsgrundlage für die Parkplatzüberlassung ist nicht entscheidend.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 1.12.2011, V R 1/11.