Leitsatz
Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist von einem Privatlehrer erteilter Schul- und Hochschulunterricht nur dann nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG von der Steuer zu befreien, wenn der Privatlehrer seine Unterrichtsleistung direkt an die Schüler bzw. Hochschüler als Leistungsempfänger erbringt – also von diesen bezahlt wird – oder reicht es aus, dass der Privatlehrer seine Unterrichtsleistung an eine Schule oder Hochschule als Leistungsempfänger erbringt?
Sachverhalt
Der Kläger erteilte jahrelang als "freier Mitarbeiter" einer Volkshochschule "Schularbeitshilfe" und leitete Keramik- und Töpferkurse. Seine Honorare wurden auf Stundenbasis errechnet. Sozialversicherungsbeiträge und Steuern wurden nicht einbehalten. Ein Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall sowie bei sonstiger Verhinderung bestand nicht. Nach den Honorarverträgen trug der Kläger bei Ausfall der Kurse das Honorarrisiko, selbst wenn der Grund im fehlenden Teilnehmerkreis lag. Das Finanzamt schätzte die Umsatzsteuer für 1990, weil der Kläger keine Umsatzsteuererklärung und keine Bescheinigung, aus der sich die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 21 oder Nr. 22 UStG 1980 ergaben, vorgelegt hatte. Einspruch und Klage, mit der er die Auffassung vertrat, er sei nicht selbständig tätig gewesen, hatten keinen Erfolg. Der Kläger legte Revision ein.
Entscheidung
Die Entscheidung des FG, der Kläger sei selbständig i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG und damit als Unternehmer tätig geworden, war revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Leistungen des Klägers fielen nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG 1980, denn die Befreiung begünstigt berufsbildende Einrichtungen, nicht aber freie Mitarbeiter, die an diesen Schulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen Unterricht erteilen.
Nicht zweifelsfrei ist aber die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung. Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6. EG-Richtlinie können die Mitgliedstaaten den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht von der Steuer befreien. Die Erfüllung dieser Befreiungsvoraussetzungen kommt in Betracht, denn der Begriff "Schul- und Hochschulunterricht" kann auch Unterrichtsleistungen von Volkshochschulen erfassen.
Daraus ergibt sich die Vorlagefrage an den EuGH. Der EuGH hat bereits zu mit dem Hochschulunterricht eng verbundenen Dienstleistungen ausgeführt, dieser Begriff verlange keine besonders enge Auslegung, da durch die Befreiung dieser Dienstleistungen gewährleistet werden solle, dass der Zugang zum Hochschulunterricht nicht durch die höheren Kosten versperrt werde, die entstünden, wenn dieser selbst oder die eng mit ihm verbundenen Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterworfen wären. Dieser Gedanke könnte auch hier zu berücksichtigen sein.
Praxishinweis
Möglicherweise kommt die "Privatlehrer-Befreiung" nach der 6. EG-Richtlinie nach der deutschen Rechtslage nicht zum Tragen. In Frankreich beispielsweise werden nach Art. 261-4-4 CGI nur die Kurse und Stunden von der Mehrwertsteuer befreit, die im Rahmen des Schul-, Hochschul-, Berufsschul-, Kunst- oder Sportunterrichts von natürlichen Personen erteilt und unmittelbar von den Schülern bezahlt werden. Im Streitfall – wie wohl auch sonst – hatte der "Privatlehrer" seine Unterrichtsleistung an die Einrichtung als Leistungsempfänger ausgeführt und nicht unmittelbar an die Schüler als Auftraggeber.
Link zur Entscheidung
BFH-Beschluss vom 20.10.2005, V R 75/03