Leitsatz
- Umsätze einer GmbH, die mit angestelltem qualifiziertem Krankenpflegepersonal Behandlungspflegeleistungen erbringt, sind nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei.
- In den Jahren 1988 bis 1990 ausgeführte Umsätze einer GmbH durch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung gegenüber pflegebedürftigen Personen sind nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei, wenn die GmbH als Einrichtung mit sozialem Charakter anzuerkennen ist.
Sachverhalt
Eine GmbH betrieb einen ambulanten Pflegedienst. Sie verfolgte nach ihrer Satzung ausschließlich und unmittelbar mildtätige Zwecke. Das Finanzamt setzte für die Streitjahre 1988 bis 1990 die Umsatzsteuer mit dem ermäßigten Steuersatz fest. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG wurde der GmbH als juristische Person versagt, die rückwirkende Anwendung der erst ab 1992 eingeführten Befreiung nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG ebenfalls abgelehnt. Im Revisionsverfahren holte der BFH eine Vorabentscheidung des EuGH ein.
Entscheidung
Die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG i.d.F. vor 2004 mit der Verweisung auf § 18 Abs. 1 Nr.1 EStG wird durch die Rechtsform des Pflegedienstes als GmbH nicht ausgeschlossen. Die Qualifikation der Einkünfte einer Freiberufler-GmbH als stets gewerblich ist hier unerheblich. Da die Vorschrift nach richtlinienkonformer Auslegung nur Leistungen mit therapeutischem Ziel befreit, gilt sie nur für Leistungen der GmbH durch Behandlungspflege. Diese umfasst medizinische Hilfeleistungen wie Injektionen, Verbandswechsel und Dekubitusversorgung, die nur von "qualifiziertem" Pflegepersonal, z.B. nach dem Krankenpflegergesetz, erbracht werden können. Nicht examinierte Pflegekräfte können gleichgestellt sein. Insbesondere die Zulassung des Unternehmers bzw. regelmäßige Zulassung seiner Berufsgruppe gemäß § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen kann ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit sein.
Die Leistungen der GmbH durch Grundpflege, d.h. Körperpflege, Zubereiten und Verabreichen der Nahrung sowie An- und Auskleiden beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, und die Leistungen durch hauswirtschaftliche Versorgung, die Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung und Waschen der Kleidung umfassen, sind nach vorstehenden Grundsätzen nicht nach § 4 Nr. 14 UStG 1980 steuerfrei. Solche Leistungen sind, selbst wenn sie von "qualifiziertem Krankenpflegepersonal" ausgeführt und pflegebedürftigen Personen zugewendet werden, keine steuerfreien Heilbehandlungen i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. RL bzw. § 4 Nr. 14 UStG. Diese Leistungen können aber durch den 1992 eingeführten § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG befreit sein; zuvor kann sich der Steuerpflichtige auf die maßgebende Regelung in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. RL berufen. Für die Qualifikation der Pflegekräfte sind bei der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung geringere Anforderungen als für die Behandlungspflege zu stellen. Es reicht aus, wenn die Pflegekraft geeignet ist, die erforderlichen Leistungen zu erbringen.
Praxishinweis
Bei Pflegediensten dürfte die Befreiung (auch) für Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung im Wesentlichen von dem Merkmal des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG abhängen, dass "im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 von Hundert der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind".
Im Übrigen verdeutlichen die Entscheidungen des EuGH und des BFH auch in diesem Verfahren, dass § 4 Nr. 14 UStG nicht jede von einem Arzt oder Träger eines arztähnlichen Berufs erbrachte Leistung befreit, sondern nur medizinische Eingriffe, die zwecks Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen vorgenommen werden.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 22.4.2004, V R 1/98