Leitsatz
- Das UStG verlangt von dem Unternehmer nicht, bei der Ausübung des ihm zustehenden Wahlrechts nach § 9 UStG auf das Interesse des Fiskus Rücksicht zu nehmen, nicht Vorsteuer ohne die gesicherte Erwartung vergüten zu müssen, seine Umsatzsteuerforderung gegen den Leistenden durchsetzen zu können (Anschluss an BFH-Urteil vom 28.11.2002, VII R 41/01, BStBl II 2003, S. 337).
- Der Liquidator einer GmbH begeht keine einen Haftungstatbestand auslösende Pflichtverletzung, wenn er auf die Steuerbefreiung für einen Grundstücksumsatz nach § 9 Abs. 1 UStG verzichtet; eine Pflichtverletzung liegt aber darin, dass er, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre, nicht durch eine Nettokaufpreisvereinbarung dafür Sorge trägt, dass die GmbH über den der Umsatzsteuer entsprechenden Anteil des vom Erwerber im Hinblick auf die Option gezahlten Kaufpreises verfügen kann.
- Es entspricht einer Erfahrungsregel, dass dort, wo die Sicherungsabrede nicht eine Bruttokaufpreisvereinbarung und die Abrede enthält, der Sicherungsnehmer könne gegebenenfalls freihändige Verwertung des Sicherungsgutes verlangen, der Liquidator gegenüber dem Sicherungsnehmer eine so starke Verhandlungsposition einnimmt, dass es praktisch ausgeschlossen erscheint, dass der Sicherungsnehmer sich nicht darauf einlässt, dem Verwalter den Umsatzsteueranteil des Kaufpreises zu überlassen.
- Die Haftungsinanspruchnahme für Säumniszuschläge ist ein selbständiger Teil eines Haftungsbescheides, so dass die Entscheidung des FG darüber in (Teil-)Rechtskraft erwachsen kann.
Sachverhalt
Der Liquidator einer GmbH veräußerte deren Betriebsgrundstück nebst Zubehör und darauf lagernden Materialien nach entsprechender Absprache mit der an dem Grundstück gesicherten Sparkasse freihändig und optierte dabei zur Umsatzsteuer. Den Kaufpreisanspruch einschließlich Umsatzsteuer trat er an die Sparkasse ab, die an dem Grundstück ein Grundpfandrecht besaß. Wie von vornherein vorauszusehen war, konnte er die Umsatzsteuer aus den liquiden Mitteln der GmbH nicht bezahlen. Er wurde deshalb vom Finanzamt auf Haftung für die Umsatzsteuer nebst Säumniszuschlägen in Anspruch genommen. Das FG hob den Haftungsbescheid hinsichtlich der Säumniszuschläge auf; im Übrigen wies es die Klage des Liquidators ab.
Entscheidung
Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen. Auch eine illiquide GmbH dürfe bei einem Grundstücksverkauf für die Umsatzsteuer optieren, sofern die Option nicht rechtsmissbräuchlich ist. Das sei nicht schon der Fall, weil die tatsächlich im Kaufpreis enthaltene und vom Erwerber gezahlte Umsatzsteuer von der Steuerschuldnerin nicht beglichen werden könne. Ein Liquidator hafte folglich wegen Ausübung des Optionsrechts nicht für die Umsatzsteuer. Er handle jedoch pflichtwidrig und hafte, wenn er bei freihändigem Verkauf nicht durch eine Nettokaufpreisabrede mit dem Grundpfandgläubiger dafür sorge, dass der Umsatzsteueranteil des Kaufpreises in das Vermögen der GmbH gelangt.
Der BFH sei als Revisionsgericht nicht an dieser Bewertung gehindert; denn sie beruhe auf der Anwendung einer Erfahrungsregel und nicht einer tatsächlichen Feststellung im Einzelfall, die dem FG vorbehalten wäre. Die Haftungsquote müsse jedoch hier noch vom FG ermittelt werden. Wegen der Säumniszuschläge sei hingegen Teilrechtskraft des erstinstanzlichen Urteils mangels einer Anschlussrevision des Finanzamts eingetreten.
Praxishinweis
Mit diesem Urteil setzt der BFH im Wesentlichen seine bisherige Rechtsprechung fort. Neu sind die Ausführungen zum Gegenstand des Haftungsbescheids, der nicht in der Haftungsfolge der dem Haftenden vorgeworfenen Pflichtwidrigkeit als solcher bestehe, sondern in dem konkreten Schaden, für den dieser in dem Bescheid in Anspruch genommen worden ist. Die Inanspruchnahme für den Steuerausfall ist daher ein anderer Streitgegenstand als die Inanspruchnahme für die dadurch verwirkten Säumniszuschläge.
Beachten Sie künftig den neuen § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 16.12.2003, VII R 77/00