Leitsätze (amtlich)

  1. Die Zwangsversteigerung eines Grundstücks führt umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich zu einer entgeltlichen Lieferung des Grundstückseigentümers an den Ersteher. Dies gilt aber nicht, wenn eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG 1993 vorliegt; diese setzt kein lebendes Unternehmen voraus.
  2. Auch bereits vor In-Kraft-Treten des § 9 Abs. 3 UStG 1999 n.F. war ein Verzicht auf die Steuerbefreiung der Grundstückslieferung im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens nach dem Verteilungstermin nicht mehr wirksam.
 

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb im Mai 1994 ein Grundstück mit teilfertiger Fabrikhalle in der Zwangsversteigerung zum Meistgebot von 575 000 DM. Der Vollstreckungsschuldner und frühere Grundstückseigentümer V wollte die Fabrikhalle gewerblich vermieten, konnte sie jedoch aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht fertig stellen. Nach einer Außenprüfung versagte das Finanzamt dem V nachträglich den Vorsteuerabzug, weil seine unternehmerische Tätigkeit erfolglos geblieben und das Grundstück umsatzsteuerfrei veräußert worden sei. Hiergegen machte V geltend, er habe durch Einreichung der entsprechenden US t-Anmeldungen auf die USt-Befreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst, a UStG 1993 verzichtet und zur Steuerpflicht der Umsätze aus dem Grundstück einschließlich des Verkaufs optiert. Aufgrund von § 18 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 UStG 1993 i.V.m. § 51 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 UStDV 1993 werde vom Abzugsverfahren Gebrauch gemacht. V erteilte der Klägerin im März 1996 über die "Grundstückslieferung vom 17.5.1994" eine Rechnung über 575 000 DM zuzüglich 15 % USt (86 250 DM). Er bat um Anwendung des Abzugsverfahrens und Abführung der USt an das Finanzamt. Nachdem sich die Klägerin geweigert hatte, einen Betrag aufzubringen, der über das Meistgebot von 575 000 DM hinausging, erteilte V ihr eine Rechnung ohne Datum über 500 000 DM zuzüglich 15 % USt (75.000 DM). Durch eine weitere Rechnung vom 28.11.1997, in der dieselben Beträge ausgewiesen sind, berichtigte V die vorherigen Rechnungen. Die Klägerin meldete die ihr berechnete USt nicht an und führte sie auch nicht ab. Das Finanzamt erließ deshalb gegen die Klägerin einen auf § 55 UStDV 1993 gestützten Haftungsbescheid. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt[1]. Die Revision blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStDV 1993 hat der Leistungsempfänger für die Lieferung von Grundstücken im Zwangsversteigerungsverfahren durch den Vollstreckungsschuldner an den Ersteher die USt einzubehalten und abzuführen. Er haftet für diese Steuer[2]. Die Haftung setzt einen steuerpflichtigen Grundstücksumsatz des Vollstreckungsschuldners an den Ersteher voraus. Die Zwangsversteigerung eines Grundstücks führt zwar umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich zu einer Lieferung des Grundstückseigentümers an den Ersteher[3]. Dies gilt aber nicht, wenn eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG 1993 vorliegt. Die Geschäftsveräußerung setzt kein lebendes Unternehmen voraus[4]. Der Vorentscheidung kann nicht entnommen werden, ob das Grundstück die wesentliche Grundlage des Betriebs des V war und demzufolge eine Geschäftsveräußerung vorlag. Gleichwohl kommt eine Zurückverweisung nicht in Betracht, denn auch wenn keine Geschäftsveräußerung vorlag, fehlt es an einem steuerpflichtigen Umsatz, für dessen Steuer die Klägerin haften würde.

Lag keine Geschäftsveräußerung vor, war die Grundstückslieferung steuerfrei[5] und nicht umsatzsteuerpflichtig. Auf die Steuerfreiheit eines Grundstücksumsatzes kann zwar grundsätzlich auch noch nach Ausführung des Umsatzes gemäß § 9 UStG 1993 verzichtet werden. Der Verzicht ist aber nicht mehr nach dem Termin zur Verteilung des Versteigerungserlöses wirksam. In diesem Termin wird festgestellt, wieviel die zu verteilende Masse beträgt[6]. Deshalb kann eine nachträgliche Steueroption nicht mit der Wirkung berücksichtigt werden, dass die USt aus dem Versteigerungserlös herausgerechnet wurde; für einen entsprechenden Zuschlag auf den Gebotsbetrag gibt es ebenfalls keine Rechtsgrundlage[7]. Dahinstehen kann, ob ein Verzicht auf die Steuerbefreiung auch bereits vor In-Kraft-Treten des § 9 Abs. 3 UStG[8] nur bis zur Abgabe von Geboten im Versteigerungstermin möglich war; jedenfalls war er auch vor In-Kraft-Treten des § 9 Abs. 3 UStG 1999 n.F. nach dem Verteilungstermin nicht mehr wirksam.

Der Grundstücksumsatz war deshalb nicht steuerpflichtig, so dass auch eine Haftung der Klägerin für die USt ausscheidet; dementsprechend stand ihr auch kein Vorsteuerabzug für den Erwerb des Grundstücks zu.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 21.3.2002 – V R 62/01

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