Leitsatz
Tanzkurse, die ein gemeinnütziger Verein durchführt, sind nicht gemäß § 4 Nr. 22 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Sie können aber dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG unterliegen.
Sachverhalt
Der Kläger, ein eingetragener gemeinnütziger Verein, veranstaltete ein "Seminar für Musik und Bewegungserziehung" und bot im Rahmen einer "Tanzwerkstatt" Kurse an, die nach seiner Meinung im Rahmen der satzungsmäßigen Zwecke zur Förderung der Vereinsziele durchgeführt wurden und daher als Zweckbetrieb i.S. der AO anzusehen sind. Deshalb sei insoweit die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 UStG 1993 anzuwenden. Der Verein ist nicht Mitglied im Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband, sondern in der Landesarbeitsgemeinschaft für Soziokultur in Niedersachsen. Die Dozenten waren nicht in erster Linie Tanzlehrer, sondern Diplom-Rhythmiklehrer, Tanztherapeuten, Gestalttherapeuten u.ä. Zu Kursen konventioneller Tanzschulen bestünden erhebliche Unterschiede. Das Finanzamt sah die Kurse als umsatzsteuerpflichtig an. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen. Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass die Tanzkurse nicht steuerfrei sind. Es hat aber nicht geprüft, ob die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 8 Buchst. a UStG eingreift. Es kommt dabei entscheidend darauf an, ob der Kläger die streitigen Umsätze – wie er geltend macht – im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt hat.
Unter die Befreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG fallen bei richtlinienkonformer Auslegung nur solche Kurse, die als Erziehung von Kindern und Jugendlichen, als Schul- oder Hochschulunterricht, als Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung zu qualifizieren sind. Die Tanzkurse des Klägers dienten aber nicht diesen Zwecken, sondern der Freizeitgestaltung. Soweit sich der Kläger auf Abschn. 115 Abs. 3 UStR beruft, wonach zu Veranstaltungen belehrender Art auf dem Gebiet des Sports auch die Erteilung von Sportunterricht, z.B. die Erteilung von Schwimm-, Tennis-, Reit-, Segel- und Skiunterricht gehört, mag offen bleiben, ob diese Regelung von § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG in richtlinienkonformer Auslegung gedeckt wird. Denn der Kläger hat – wie er selbst betont – keinen Sportunterricht erteilt.
Die Tanzkurse sind auch nicht gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG steuerfrei. Wie der Kläger selbst ausführt, handelt es sich dabei nicht um "sportliche Veranstaltungen" im Sinn der Vorschrift. Unter diesen Begriff fallen nur diejenigen organisatorischen Maßnahmen eines Sportvereins, die es aktiven Sportlern ermöglichen, Sport zu treiben. Es handelt sich auch nicht um "kulturelle Veranstaltungen". Denn sie dienten in erster Linie der Verbesserung der tänzerischen Fähigkeiten der Teilnehmer. Das gilt auch dann, wenn daneben weitere Zwecke verfolgt wurden.
Praxishinweis
Die Entscheidung ist weniger wegen der Ablehnung der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 22 UStG für "Veranstaltungen belehrender Art" auf dem Gebiet des Sports von Bedeutung, auch wenn sie die in Abschn. 115 Abs. 3 UStR zugelassene Praxis relativiert, sondern vielmehr wegen des Hinweises auf den ermäßigten Steuersatz für gemeinnützige Körperschaften nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG. Wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb gem. § 65 AO unterhalten, muss er für die Vergünstigung ein Zweckbetrieb sein, also die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft verwirklichen, und insbesondere zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb treten, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.
Dass § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG mit Art. 12 Abs. 3 Buchst. a UnterAbs. 3 der 6. EG-Richtlinie nicht unbedingt vereinbar ist, spielt hier keine Rolle. Der BFH verweist darauf, dass in einem solchen Fall das für den Kläger günstigere nationale Recht vorgeht. Eine belastende richtlinienkonforme Auslegung ist nur sehr eingeschränkt möglich. Die Finanzverwaltung kann sich nicht auf die für sie günstige Richtlinie berufen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 27.4.2006, V R 53/04