Leitsatz (amtlich)
Werden Wertpapiere mit variablem Zins (Floating-Rate-Notes) ausgegeben, die in eine festverzinsliche Schuldverschreibung (Bonds) umgetauscht werden können, bedeutet der Umtausch jedenfalls dann keine Anschaffung i.S. von § 23 Abs. 1 EStG, wenn Emittent, Inhaber, Nennbetrag und Laufzeit unverändert bleiben, das Umtauschrecht zum Bezug der Bonds bereits mit dem Kauf der Floating-Rate-Notes erworben wird und im Fall eines Umtausches die Floating-Rate-Notes gelöscht und die (nicht gesondert handelbaren) Bonds neu ausgegeben werden.
Sachverhalt
Der Kläger erwarb am 20.11.1984 über seine Bank eine Anleihe mit variablem Zinssatz (Floating-Rate-Notes). Er hatte das Recht, aber nicht die Pflicht, die Anleihe ab einem bestimmten Zeitpunkt provisionsfrei in eine festverzinsliche Schuldverschreibung (Bonds) umzutauschen. Dazu waren die Floating-Rate-Notes an den Emittenten zurückzugeben. Dieser hatte im Austausch die Bonds zum gleichen Nennbetrag und mit unveränderter Laufzeit neu auszugeben. Der Kläger machte von dem Umtauschrecht Gebrauch. Seine Bank wickelte den Umtausch als zwei getrennte Vorgänge ab und erteilte ihm unter dem 28.1.1985 für den "Verkauf" der Floating-Rate-Notes und den gleichzeitigen "Kauf" der Bonds getrennte Abrechnungen, in denen die Wertpapiere jeweils mit unterschiedlichen Bezeichnungen und unterschiedlichen Wertpapierkennnummern aufgeführt waren. Zum 30.4.1985 wurden die zurückgegebenen Floating-Rate-Notes gelöscht. Am 28.5.1985 beauftragte der Kläger seine Bank, die Bonds, deren Kurs gestiegen war, zu veräußern. Das Finanzamt beurteilte den Umtausch als Anschaffung von Wertpapieren und setzte aufgrund des Kursgewinns die ESt unter Berücksichtigung eines Spekulationsgewinns fest. Die Klage hatte Erfolg. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.
Entscheidungsgründe
§ 23 Abs. 1 EStG erfasst nur Veräußerungsgeschäfte über Wirtschaftsgüter. Das veräußerte Wirtschaftsgut muss mit dem erworbenen zumindest wirtschaftlich identisch sein. Zweck des § 23 EStG ist es, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatvermögen der ESt zu unterwerfen.
Werden Floating-Rate-Notes ausgegeben, die in Bonds umgetauscht werden können, sind die zunächst erworbenen Floating-Rate-Notes und die dafür eingetauschten Bonds jedenfalls dann wirtschaftlich identisch, wenn Emittent, Inhaber, Nennbetrag und Laufzeit unverändert bleiben, das Umtauschrecht zum Bezug der Bonds bereits mit dem Kauf der Floating-Rate-Notes erworben wird und im Fall eines Umtausches die Floating-Rate-Notes gelöscht und die (nicht gesondert handelbaren) Bonds neu ausgegeben werden. In derartigen Fällen bedeutet der Umtausch nicht die Anschaffung eines neuen Wertpapiers. Vielmehr sind die eingetauschten Bonds bereits im Zeitpunkt des Erwerbs der Floating-Rate-Notes i.S. von § 23 Abs. 1 EStG angeschafft. Die Gegenleistung für den Erwerb der Bonds besteht bereits in der Bezahlung des Kaufpreises für die Floating-Rate-Notes. Der Anleger wendet einen Geldbetrag auf, um zunächst ein variabel verzinsliches Wertpapier zu erwerben und dieses gegebenenfalls in ein festverzinsliches tauschen zu können. Der Kauf der Floating-Rate-Notes und ihr Umtausch in Bonds stellt einen wirtschaftlich und steuerrechtlich einheitlichen Vorgang dar, der insoweit mit dem Umtausch von Wandelschuldverschreibungen in Aktien vergleichbar ist. Durch den Umtausch, bei dem die ursprünglich investierten Mittel für den Anleger nicht frei verfügbar sind, ändern sich wirtschaftlich lediglich die Zinsbedingungen der ursprünglich erworbenen Wertpapiere.
Der zwischenzeitliche Umtausch der Floating-Rate-Notes in die Bonds ist danach nicht als Anschaffung eines neuen Wirtschaftsgutes zu beurteilen. Vielmehr handelte es sich um wirtschaftlich identische Wertpapiere. Entgegen der Ansicht des Finanzamts hat der Kläger nicht die Floating-Rate-Notes veräußert und den Verkaufserlös zum Erwerb eines neuen Wertpapiers eingesetzt. Der Kläger hat lediglich ein bereits mit dem ursprünglichen Erwerb der Floating-Rate-Notes erworbenes Umtauschrecht ausgeübt. Dadurch erlangte er nicht die Verfügung über die zum Kauf der Floating-Rate-Notes eingesetzten Mittel, die er zum Kauf neuer Wertpapiere hätte einsetzen können, sondern nur das Recht zum vertragsgemäßen Bezug der an ihn neu auszugebenden Bonds.
Link zur Entscheidung
BFH vom 30.11.1999 - IX R 70/96