Leitsatz
- Bei einem Aktienerwerb fließt dem Arbeitnehmer der geldwerte Vorteil in dem Zeitpunkt zu, in dem der Anspruch auf Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die Aktien erfüllt wird.
- Dem Zufluss steht es nicht entgegen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Sperr- bzw. Haltefrist die Aktien für eine bestimmte Zeit nicht veräußern kann. Der Erwerber ist rechtlich und wirtschaftlich bereits von dem Augenblick an Inhaber der Aktie, in dem sie auf ihn übertragen oder auf seinen Namen im Depot einer Bank hinterlegt wird.
- Der geldwerte Vorteil fließt dem Arbeitnehmer auch dann mit der Verschaffung der Verfügungsmacht zu, wenn die Aktien unter der auflösenden Bedingung einer Rückzahlungsverpflichtung (§ 158 Abs. 2 BGB) überlassen werden und diese Bedingung eintritt (sog. Istprinzip).
Sachverhalt
K nahm am Mitarbeiterbeteiligungsprogramm einer AG teil und bezog 1999 Wandelschuldverschreibungen mit dem Recht zum verbilligten Erwerb von Aktien. Bei Auflösung des Arbeitsvertrags war K zur Rückübertragung bereits gewandelter Aktien verpflichtet. K wandelte die Anleihen 1999 in Aktien um. Das Arbeitsverhältnis endete im Streitjahr 2000; die AG verzichtete auf die Rückübertragung. Das Finanzamt nahm den Zufluss des geldwerten Vorteils im Zeitpunkt des Verzichts der AG an. K forderte die Besteuerung des geldwerten Vorteils im Zeitpunkt der Wandlung im Jahr 1999. Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Die Revision blieb erfolglos. Der nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses erklärte Verzicht auf Rückübertragung der Aktien im Jahr 2000 führt nicht zu Einkünften. Zwar hat K durch die verbilligte Überlassung der Aktien Einnahmen aus nicht selbstständiger Arbeit erzielt. Diese sind ihm aber bereits im Jahr 1999 im Zeitpunkt der Umwandlung der Anleihen zugeflossen. Der Umstand, dass K die Aktien behalten durfte, führt nicht zu einem (erneuten) Lohnzufluss.
Hinweis
Der BFH hat mehrfach entschieden, dass dem Arbeitnehmer durch die Umwandlung einer vom Arbeitgeber eingeräumten Anleihe mit der Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht an den Aktien steuerpflichtiger Arbeitslohn zufließt. Klauseln, die das Entfallen der Optionen oder die Rückgewähr erworbener Aktien regeln, stehen dem Zufluss des geldwerten Vorteils nicht entgegen, da der Steuerpflichtige die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt hat. Der Zufluss tritt auch dann ein, wenn der Arbeitnehmer die Aktien für eine bestimmte Zeit nicht veräußern kann. Er ist bereits ab dem Zeitpunkt Inhaber der Aktie, in dem sie auf ihn übertragen oder in seinem Depot hinterlegt wird. Die mit dem Erwerb verbundenen Rechte erschöpfen sich nicht darin, die Aktie zu verkaufen; dem Arbeitnehmer stehen Stimmrecht und Dividendenanspruch unabhängig von der Sperrfrist ab dem Erwerb zu. Selbst bei einer obligatorischen Sperrklausel ist die Veräußerung möglich, auch wenn dies Sanktionen auslösen kann.
Link zur Entscheidung
BFH, 30.09.2008, VI R 67/05