Leitsatz
- Ob das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, bestimmt sich nach dem qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Dies zu beurteilen obliegt in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz.
- Bei einer Produkt- und Fachberaterin, deren Tätigkeit wesentlich durch die Arbeit im Außendienst geprägt ist, bildet das häusliche Arbeitszimmer auch dann nicht den Mittelpunkt ihrer beruflichen Betätigung, wenn die dort verrichteten Tätigkeiten zur Erfüllung der übertragenen Aufgaben notwendig sind.
- Bei einem Verkaufsleiter, der zur Überwachung von Mitarbeitern und zur Betreuung von Großkunden auch im Außendienst tätig ist, kann das häusliche Arbeitszimmer gleichwohl den Mittelpunkt der beruflichen Betätigung bilden, wenn er dort die für seinen Beruf wesentlichen Leistungen (hier: Organisation der Betriebsabläufe) erbringt.
- Bei einem Ingenieur, dessen Tätigkeit wesentlich durch die Erarbeitung theoretischer komplexer Problemlösungen im häuslichen Arbeitszimmer geprägt ist, kann dieses auch dann den Mittelpunkt der beruflichen Betätigung bilden, wenn die Betreuung von Kunden im Außendienst ebenfalls zu seinen Aufgaben gehört.
Sachverhalte
Der Fall VI R 82/01 betrifft eine Arbeitnehmerin, die ohne Arbeitsplatz bei ihrem Arbeitgeber medizintechnische Produkte im Außendienst vertrat. Dazu arbeitete sie zwei Tage pro Woche zu Hause, wo sie Kunden telefonisch betreute, E-Mail-Aktionen durchführte, Kongressanfragen beantwortete, Kundentermine vereinbarte und Besuchs- und Wochenberichte sowie Statistiken erstellte. An den übrigen Tagen arbeitete sie den eigenen Angaben zufolge morgens zunächst ein bis zwei Stunden vor Vorbereitung der Tagestouren ebenfalls zu Hause und bereitete nach Abschluss der Kundenbesuche die Tagesergebnisse nach. Außerdem lagerte sie die vertretenen Produkte im Arbeitszimmer. Von den Aufwendungen für das Arbeitszimmer von ca. 4 000 DM ließ das Finanzamt nur 2 400 DM zum Abzug zu. Die Klage hatte keinen Erfolg; die Revisionwies der BFH ebenfalls zurück.
Im Fall VI R 104/01 ging es um einen angestellten Verkaufsleiter für Lebensmittelprodukte, ebenfalls ohne Arbeitsplatz beim Arbeitgeber. Er hatte als Gebietsleiter 13 Mitarbeiter unter sich, deren Einsatz er von zu Hause aus plante, beaufsichtigte und überprüfte. Gelegentlich besuchte er selbst Großkunden und überprüfte die Platzierung der Waren in den Regalen. Alle sechs bis acht Wochen organisierte er Mitarbeitertreffen.Wöchentlich war er durchschnittlich zwei Tage außer Haus tätig mit einer beruflichen Fahrleistung von ca. 20 000 km pro Jahr. Die übrige Zeit arbeitete er zu Hause, und zwar in der Regel acht bis zehn Stunden, nach seinen Angaben auch an den Wochenenden. Von den Kosten des häuslichen Arbeitszimmers berücksichtige das Finanzamt nur 2 400 DM, während das FG sie in vollem Umfang anerkannte. Die hiergegen eingelegte Revision hatte keinen Erfolg.
Im Fall VI R 28/02 machte ein angestellter Diplomingenieur ohne Arbeitsplatz bei seinem Arbeitgeber Aufwendungen für sein häusliches Arbeitszimmer von 6 572 DM als Werbungskosten geltend. Er bewahrte Konstruktionszeichnungen samt technischer und geschäftlicher Unterlagen der in seinem Kundengebiet an Chemieunternehmen ausgelieferten Industriepumpen seines Arbeitgebers zu Hause auf. Traten Defekte auf, erarbeitete er zu Hause Lösungsvorschläge, gegebenenfalls auch mittels Neu- bzw. Alternativkonstruktionen, die er telefonisch oder schriftlich an die Kunden weitergab. Es war nicht in jedem Fall erforderlich, dass er die Kunden aufsuchte. Reparaturen wurden nicht durch ihn, sondern andere Bedienstete oder Dritte durchgeführt. Darüber hinaus beriet er die Kunden telefonisch und erstellte schriftliche Angebote, wobei er – nachrangig – auch Neukunden akquirierte. Des Weiteren erbrachte er zu Hause Büroarbeiten wie Auftragsbestätigungen, Rundschreiben, Tätigkeitsberichte, Statistiken usw. Ausweislich der für zwei Monate vorgelegten Reisekostenabrechnungen war er im April an 10 von 19 und im Oktober an 14 von 21 Tagen im Außendienst tätig. Das Finanzamt berücksichtigte 2 400 DM der geltend gemachten Aufwendungen, während das FG sie unbegrenzt zum Abzug zuließ. Die Revision wies der BFH zurück.
Entscheidungen
Der BFH entwickelte für die drei Fälle übereinstimmende Grundsätze zur Frage des Erwerbsmittelpunktes des Steuerpflichtigen. Befindet sich der Mittelpunkt im häuslichen Arbeitszimmer, sind dessen Kosten – anders als sonst – in vollem Umfang zu berücksichtigen. Der Mittelpunkt bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der Betätigung, also nach der Stelle, wo die Arbeiten erfolgen, die die Tätigkeit prägen. Dies muss durch eine wertende Würdigung aller Betätigungen des Steuerpflichtigen beurteilt werden, wobei der zeitanteiligen Verrichtung zu Hause nur indizielle und keine abschließende Bedeutung zukommt. Das ergibt sich bereits aus der Regelung des beschränkten Abzugs (2 400 DM bzw. 1 250 EU...