Leitsatz

  1. Eine Entgeltsforderung ist uneinbringlich i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltsforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann.
  2. Eine Berichtigung kommt in Betracht, wenn der Leistungsempfänger zwar nicht die Entgeltsforderung selbst bestreitet, sondern mit einer vom Gläubiger (dem leistenden Unternehmer) substantiiert bestrittenen Gegenforderung aufrechnet, und wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltsforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann (Fortführung des BFH-Urteils vom 22.4.2004, V R 72/03, BStBl II 2004, S. 684 = INF 2004, S. 609).
 

Sachverhalt

Eine GmbH ließ an ihrem gemieteten Betriebsgebäude umfangreiche Instandhaltungsarbeiten durchführen, die sie auch bezahlte. Da die Instandhaltungsmaßnahmen ihrer Ansicht nach dem Vermieter oblagen und ihre Aufwendungen deshalb von ihm zu erstatten waren, kürzte sie von Januar 1993 bis Dezember 1995 ihre Mietzahlungen und erklärte insoweit die Aufrechnung mit dem von ihr behaupteten Erstattungsanspruch. Erst nachdem der Vermieter mit seiner Klage gegen die Aufrechnung Erfolg hatte, bezahlte die GmbH die ausstehende Miete. Die Mietforderung selbst hatte sie nicht bestritten.

Die GmbH machte die ihr für die Vermietung berechnete Umsatzsteuer für 1993 bis 1995 ohne Rücksicht auf die Kürzung der Mietzahlungen als Vorsteuer geltend. Das Finanzamt berichtigte den Vorsteuerabzug nach einer Prüfung in Höhe des Einbehalts nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 UStG, weil das vereinbarte Entgelt insoweit "uneinbringlich" geworden sei. Nach erfolgloser Klage legte die GmbH Revision ein.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG. Eine Forderung ist i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich, wenn der Schuldner mit einer Forderung aufrechnet, deren Bestehen der Gläubiger substantiiert bestreitet. "Uneinbringlich" ist eine Forderung nicht schon, wenn der Leistungsempfänger die Zahlung nach Fälligkeit verzögert, sondern erst dann, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltsforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann. Das gilt jedenfalls, wenn der Schuldner mit einer Forderung aufrechnet, die der Gläubiger substantiiert bestreitet; denn auch in diesem Fall muss der Gläubiger damit rechnen, dass der Schuldner das vereinbarte Entgelt auf absehbare Zeit unter Hinweis auf die Aufrechnung mit der angeblichen Gegenforderung nicht bezahlen wird.

Das FG konnte den Streitfall daher revisionsrechtlich unangreifbar dahingehend würdigen, dass der Vermieter mit der Erfüllung seiner Forderung durch wirksame Aufrechnung nicht rechnen musste, weil er die Gegenforderung und damit eine wirksame Aufrechnung bestritten hatte und seine Forderung einklagen musste.

 

Praxishinweis

Die Grundsätze zur Uneinbringlichkeit von Entgeltsforderungen hat der BFH weitgehend geklärt. Das vorliegende Urteil lässt erkennen, dass sich Streitfragen dazu weitgehend im Bereich der tatsächlichen Würdigung der einzelnen Gestaltung entzünden.

Der BFH steckt für die hier strittige Fragestellung die Grenzen dahingehend ab, dass eine Forderung nicht uneinbringlich ist, wenn deren Schuldner mit einer ihm gegenüber dem Gläubiger zustehenden unbestrittenen Forderung aufrechnet, dagegen uneinbringlich ist, wenn der Schuldner mit einer Forderung aufrechnet, die der Gläubiger substantiiert bestreitet. Dass der Schuldner die Forderung selbst nicht in Frage stellt und diese nach Obsiegen des Gläubigers im Streit um die Gegenforderung tatsächlich bezahlt, ist ohne Bedeutung, weil nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG bei nachträglicher Vereinnahmung des Entgelts der Umsatzsteuerbetrag und der Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen sind.

Schließlich sollte der Hinweis im Urteil beachtet werden, dass das Finanzamt durch Hinzuziehung oder Beantragung der Beiladung sicherstellen kann, dass die Uneinbringlichkeit beim Leistenden und beim Leistungsempfänger gleich beurteilt wird. Die Verfahrensbeteiligten können darauf hinwirken.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 20.7.2006, V R 13/04

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