Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Die Frage, ob ein alleinstehender Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG unterhält, entscheidet sich unter Einbeziehung und Gewichtung aller tatsächlichen Verhältnisse im Rahmen einer den FG als Tatsacheninstanz obliegenden Gesamtwürdigung. Dabei ist der Umstand, ob der Arbeitnehmer für die Kosten des Haushalts aufkommt, zwar ein besonders gewichtiges Indiz, aber keine zwingende Voraussetzung im Sinn einer conditio sine qua non.
Sachverhalt
Der ledige Arbeitnehmer K machte geltend, am Arbeitsort in M eine 64 qm große 3-Zimmerwohnung zu nutzen und in S den Haupthausstand in seinem Haus, an dem seinen Eltern ein Nießbrauchsrecht zusteht, zu unterhalten. Dort hatte K im Dachgeschoss einen Schlaf- und Wohnraum mit einer Gesamtfläche von 45 qm für sich allein und benutzte Küche, Bad und WC gemeinsam mit seinen Eltern. Das FG ließ die doppelte Haushaltsführung unberücksichtigt, weil Kin S keinen eigenen Hausstand unterhalten und nicht nachgewiesen habe, sich finanziell an der Führung des Hausstands in S beteiligt zu haben. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache zurück.
Entscheidung
Hausstand i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Bei einem Alleinstehenden ist entscheidend, dass er sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit, aufhält. Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche ist noch kein "Unterhalten eines Hausstands".
Wird eine Wohnung unentgeltlich überlassen, ist fraglich, ob der Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand unterhält oder nur in einen fremden Haushalt eingegliedert ist. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer für Kosten des Haushalts aufkommt, ist zwar ein besonders gewichtiges Indiz für das Unterhalten eines eigenen Haushalts, aber keine zwingende Voraussetzung. Lässt sich eine finanzielle Beteiligung nicht feststellen, ist damit eine eigene Haushaltsführung des auswärts Beschäftigten nicht zwingend ausgeschlossen, wie auch umgekehrt aus einem finanziellen Beitrag allein nicht zwingend auf das Unterhalten eines eigenen Haushalts zu schließen ist.
Hinweis
Für den 2. Rechtsgang hat der BFH darauf hingewiesen, dass bei alleinstehenden Arbeitnehmern mit zunehmender Dauer der Auswärtstätigkeit grundsätzlich immer mehr dafür spricht, dass die eigentliche Haushaltsführung und auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen am Beschäftigungsort liegen, sowie, dass Unterkunftskosten am Beschäftigungsort nur insoweit notwendig sind, wie sie den durchschnittlichen Mietzins einer 60 qm-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten.
Link zur Entscheidung
BFH, 21.04.2010, VI R 26/09.