Leitsätze (amtlich)
- Wer die Ausbildung für einen sog. Katalogberuf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz2 EStG nicht erfüllt, kann den Nachweis über den anderweitigen Erwerb entsprechender Kenntnisse auch dadurch führen, dass er sich einer Wissensprüfung durch einen Sachverständigen unterzieht.
- Das Gericht ist zur Erhebung eines solchen Beweises nur verpflichtet, wenn sich aus den vorgetragenen Tatsachen bereits erkennen lässt, dass der Kläger über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte, ein Nachweis anhand praktischer Arbeiten aber nicht geführt werden kann, und wenn der Kläger die Wissensprüfung beantragt.
Sachverhalt
Der Kläger war in den Streitjahren 1991 und 1992 als selbständiger Unternehmensberater tätig. Das Finanzamt sah darin einen Gewerbebetrieb und erließ entsprechende GewSt-Messbescheide. Dagegen wandte der Kläger ein, er übe eine dem beratenden Betriebs- oder Volkswirt ähnliche Tätigkeit aus. Nach seiner 1963 abgeschlossenen Ausbildung zum Außenhandelskaufmann war der Kläger von 1964 bis 1986 in Auslandsstellungen tätig. 1965 übernahm er die Leitung eines Büros für technische Fragen und Koordination. 1969 wurde er zweiter Geschäftsführer des ausländischen Büros einer deutschen Firma und hatte die Aufgabe, neue Vertriebskanäle für die Lieferung von Fabriken und Anlagen zu entwickeln. 1971 stieg er zum ersten Geschäftsführer
und Partner auf. 1987 kehrte er nach Deutschland zurück. Dort betätigte er sich als selbständiger Handelsvertreter und Industrieberater. 1989 bewarb er sich erfolgreich bei der X-Unternehmensberatung als freier Mitarbeiter und meldete im März 1990 ein Gewerbe mit dem Inhalt "Dienstleistungen und Beratungen im Auslandsgeschäft" an, das Ende 1992 um eine Werbeagentur erweitert wurde.
Im Klageverfahren holte das FG ein Sachverständigengutachten dazu ein, ob der Kläger Kenntnisse in den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre besitze und eingesetzt habe. Der Gutachter kam zum Ergebnis, der Kläger habe zu Beginn seiner selbständigen Tätigkeit über Kenntnisse in den Hauptbereichen der Betriebswirtschaft verfügt, die in der Breite und Tiefe denjenigen einer akademischen Ausbildung entsprächen. Das FG folgte den Ergebnissen der Begutachtung nicht. Auf die Revision des Klägers hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Entscheidungsgründe
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH übt derjenige den Beruf des beratenden Betriebswirts i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus, der nach einem entsprechenden Studium oder einem vergleichbaren Selbststudium, verbunden mit praktischer Erfahrung, mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft vertraut ist und diese fachliche Breite seines Wissens auch bei seinen praktischen Tätigkeiten einsetzen kann und tatsächlich einsetzt. Verfügt der Steuerpflichtige nicht über einen Abschluss als Absolvent einer Hochschule (Diplom), Fachhochschule oder Fachschule (staatlich geprüfter Betriebswirt), muss er eine vergleichbare Tiefe und Breite seiner Vorbildung nachweisen. Diesen Nachweis kann der Autodidakt durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Art Wissensprüfung führen.
Macht der Steuerpflichtige im Prozess geltend, er habe die erforderlichen Kenntnisse, muss er Tatsachen dazu vortragen, wie er die Kenntnisse erworben hat und inwieweit er sie in der Praxis einsetzt. Stehen diese Tatsachen nicht bereits zur Überzeugung des Gerichts fest, muss das FG aufgrund seiner Sachaufklärungspflicht den vom Kläger gestellten Anträgen zur Erhebung von Beweisen, die geeignet erscheinen, den erforderlichen Nachweis der Kenntnisse zu erbringen, entsprechen. Der Sachverständigenbeweis kann in diesem Zusammenhang unter zwei Gesichtspunkten ein geeignetes Beweismittel sein. Einerseits kommt ein Gutachten zur Klärung der Frage in Betracht, ob die vorgelegten praktischen Arbeiten den Rückschluss auf vorhandene Kenntnisse in der gebotenen Tiefe und Breite zulassen. Andererseits kann im Wege eines Sachverständigengutachtens auch eine Wissensprüfung vorgenommen werden, indem der Gutachter den Steuerpflichtigen gewissermaßen examiniert.
Im Streitfall hätte das FG die Wissensprüfung durch einen Sachverständigen vornehmen lassen müssen. Der Kläger hat vorgetragen, er habe die erforderlichen Kenntnisse im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen und durch Selbststudium erworben. Zum Nachweis hat er Arbeiten aus seiner praktischen Tätigkeit vorgelegt. Das FG hat dementsprechend zutreffend beschlossen, Beweis durch Sachverständigengutachten zu erheben. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, der Kläger verfüge über Kenntnisse auf dem Niveau eines Diplom-Kaufmanns und habe als Unternehmensberater eine dem beratenden Betriebswirt entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Das FG ist diesem Ergebnis des Gutachters nicht gefolgt, weil es der Auffassung war, die vom Kläger vorgetragenen und vom Sachverständigen ermittelten Tatsachen reichten nicht für die Feststellung aus, de...