Leitsatz

Die Würdigung durch das FG, eine Unternehmerbescheinigung i.S. des § 61 Abs. 3 UStDV sei nicht als Nachweis über die Ansässigkeit als Steuerpflichtiger anzusehen, wenn die ausstellende Behörde des betreffenden Mitgliedstaates nachträglich mitteilt, die bezeichnete Person sei in der Vergangenheit zu Unrecht als Steuerpflichtige beurteilt worden, bindet grundsätzlich das Revisionsgericht.

 

Sachverhalt

Klägerin ist eine Gesellschaft niederländischen Rechts mit beschränkter Haftung (BV), die zum Konzern der L (Großbritannien) gehörte. Im Wesentlichen erfolgte die Geschäftstätigkeit der Klägerin (Vertragsabschlüsse, Auslieferungen, Erteilung von Rechnungen usw.) von Großbritannien aus. Eigene Arbeitnehmer beschäftigte sie nicht. Ihr Telefonanschluss war auf eine Treuhandgesellschaft angemeldet.

Die Klägerin vertrieb 1992 bis 1994 im eigenen Namen und für eigene Rechnung von den Niederlanden für die Konzernobergesellschaft Prüfgeräte für die Computerindustrie. Sie lieferte sie auch nach Deutschland und erbrachte Gewährleistungen, Beratungs- und Trainingsleistungen und andere Dienstleistungen. Mit der Durchführung dieser Arbeiten beauftragte die Klägerin die L (Deutschland). Diese berechnete der Klägerin dafür vereinbarungsgemäß Vergütungen zuzüglich Umsatzsteuer. Die Klägerin beantragte die Vergütung dieser Vorsteuerbeträge. Dem Antrag war eine dem Muster in Anhang B der Achten Richtlinie 79/1072/EWG (8. RL) entsprechende Bescheinigung von 1993 beigefügt, die der niederländische "Belastingdienst X" für die Klägerin ausgestellt hatte.

Das BfF lehnte die Vergütungsanträge ab, weil die Klägerin kein Unternehmer i.S. des § 2 UStG sei und die Geschäfte nicht von den Niederlanden aus geleitet worden seien. Während des von der Klägerin eingeleiteten Klageverfahrens erhielt das BfF 1997 von dem "Belastingdienst X" auf Anfrage die Auskunft, die Klägerin sei in der Vergangenheit zu Unrecht als Mehrwertsteuerpflichtige angesehen worden, was mittlerweile berichtigt worden sei. Sie sei von Großbritannien aus tätig; auch ihr Betrieb werde von dort aus geführt.

Nach einem Schreiben die britischen Finanzbehörde von 1997 führte die Klägerin selbständig keine wirtschaftliche Tätigkeit in Großbritannien aus. Zusätzlich reichte die Klägerin eine Bescheinigung des britischen "Custom & Excise VAT Office" von 1998 ein, die für die L (Großbritannien) ausgestellt ist und dem Muster nach Anhang B zur 8. RL entspricht.

Das FG wies die Klage ab, weil die Klägerin jedenfalls nicht durch eine Unternehmerbescheinigung des Ansässigkeitsstaates nachgewiesen habe, dass sie als Unternehmer unter einer Steuernummer eingetragen sei. Weder für Großbritannien noch für die Niederlande liege eine solche Bescheinigung vor. Aus diesem Grunde brauche auch nicht darauf eingegangen werden, ob die Klägerin in den Niederlanden oder in Großbritannien ansässig sei.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG-Urteil. Nach dem in § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. den §§ 59 ff. UStDV geregelten Vorsteuervergütungsverfahren für im Gemeinschaftsgebiet ansässige Steuerpflichtige muss der Unternehmer "der zuständigen Finanzbehörde durch behördliche Bescheinigung des Staates, in dem er ansässig ist, nachweisen, dass er als Unternehmer unter einer Steuernummer eingetragen ist"[1]. Dem genügte die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung des britischen "Custom & Excise VAT Office" nicht; sie ist für L (Großbritannien), nicht für die Klägerin ausgestellt worden. Hieran ändert auch die Bescheinigung dieser Behörde nichts, die Klägerin sei berechtigt, die britische Umsatzsteuernummer der L (Großbritannien) zu verwenden. Auch die zunächst vorliegende niederländischen Bescheinigung war – aufgrund der späteren Einschränkung der niederländischen Finanzbehörde – als Nachweis ungeeignet.

 

Praxishinweis

Das Vorsteuervergütungsverfahren für im Ausland ansässige Unternehmer ist eine Folge der unvollständigen Harmonierung des Mehrwertsteuerrechts in der EU und ein häufiger Anlass für Streitigkeiten. Hier ging es darum, dass eine niederländische Tochter eines britischen Konzerns in Deutschland Leistungen bezog und ihr dafür deutsche Umsatzsteuer in Rechnung gestellt wurde. Man könnte daran denken, dem jeweilig maßgebenden Umsatzsteuerrecht des Ansässigkeitsstaates nachzugehen und anhand von dessen Organschaftsrecht die Berechtigung der Tochtergesellschaft für die Vergütung zu prüfen. Damit würde aber keine einfache Handhabung des Vergütungsrechts erreicht. Zudem lehnt der BFH diesen Weg ab und stellt auf die gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Formalitäten ab. Danach ist es Sache des Antragstellers, eine vom Ansässigkeitsstaat auf ihn lautende Unternehmerbescheinigung vorzulegen. Kann er das nicht, scheitert sein Antrag.

Dieses Vorgehen berücksichtigt den Kenntnisbereich des Antragstellers über seine umsatzsteuerrechtliche Stellung als (selbständiger) Unternehmer.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 22.10.2003, V R 103/01

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