Leitsatz
- Die Abgrenzung zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken bestimmt sich nach der Zumutbarkeit der bestimmungsgemäßen Gebäudenutzung zum Feststellungszeitpunkt.
- Die Unzumutbarkeit einer bestimmungsgemäßen Gebäudenutzung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie auf behebbaren Baumängeln und Bauschäden sowie sog. aufgestautem Reparaturbedarf beruht.
Sachverhalt
An einem Wohngebäude in den neuen Bundesländern waren am Bewertungsstichtag 1.1.1994 umfangreiche Wasserschäden an den Zimmerdecken im Ober- bzw. Dachgeschoss vorhanden. Der Deckenputz war stellenweise durch die Wassereinwirkung herabgefallen; die Dachbalken sowie die Bretterverschalungen waren angefault, der Kamin war versottet. Heizung und Elektroinstallation waren unbrauchbar. Das Finanzamt stellte auf den Stichtag u. a. die Grundstücksart "sonstiges bebautes Grundstück" fest. Die Eigentümer begehren hingegen die Bewertung des Grundstücks als "unbebaut".
Entscheidung
Im Umkehrschluss aus § 33a Abs. 2 RBewDV fällt in den neuen Bundesländern ein vormals bebautes Grundstück in den Zustand eines unbebauten Grundstücks in dem Augenblick zurück, ab dem eine Gebäudenutzung nicht mehr zumutbar ist.
Die Zumutbarkeit der Gebäudenutzung entfällt, wenn zur dauernden bestimmungsgemäßen Nutzung geeigneter Raum (auch nur vorübergehend) nicht (mehr) vorhanden ist. Maßgebend sind jeweils die tatsächlichen Verhältnisse an dem Stichtag, auf den eine Feststellung vorzunehmen ist. Unerheblich ist das Vorliegen einer Nutzungsgenehmigung oder die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Gebäudenutzung. Für die Frage, ob eine Benutzung des Gebäudes zumutbar ist, kann auf den früheren § 16 Abs. 3 II WoBauG zurückgegriffen werden, wonach ein Raum auf Dauer nicht benutzbar ist, wenn ein zu seiner Benutzung erforderlicher Gebäudeteil zerstört ist oder wenn der Raum oder Gebäudeteil sich in einem Zustand befindet, der aus Gründen der Bau- oder Gesundheitsaufsicht eine dauernde, der Zweckbestimmung entsprechende Benutzung des Raumes nicht gestattet.
Im Streitfall schlossen die weitgehenden Bauschäden eine bestimmungsgemäße Nutzung des Gebäudes als Einfamilienhaus aus.
Praxishinweis
Tz. 2 der gleichlautenden Länder-Erlasse vom 7.3.1995 stellt engere Voraussetzungen für die Bewertung eines Grundstücks als "unbebaut" auf, soweit die Verfallsmerkmale an der Bausubstanz erkennbar sein und das gesamte Gebäude betreffen müssen sowie behebbare Baumängel und Bauschäden (sog. aufgestauter Reparaturbedarf) eine Bewertung als unbebautes Grundstück ausschließen sollen. Dieser Auffassung hat sich der BFH nicht angeschlossen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.05.2003, II R 14/01