Leitsatz
- Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung eines bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht oder nicht vollständig erfüllten Werkvertrags, wird die Werklieferung – wenn keine Teilleistungen i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 und 3 UStG gesondert vereinbart worden sind – erst mit der Leistungserbringung nach Verfahrenseröffnung ausgeführt.
- Bei der hierauf entfallenden USt handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit, soweit das vereinbarte Entgelt nicht bereits vor Verfahrenseröffnung vereinnahmt wurde.
Konsequenzen für die Praxis
Insolvenzforderungen i.S.v. § 38 InsO (zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner "begründete" Vermögensansprüche) dürfen nicht durch Steuerbescheid festgesetzt werden (Vorrang des Insolvenzrechts). Dies gilt aber nicht für Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO.
Ob es sich bei einem USt-Anspruch um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt, bestimmt sich nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Steueranspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist. Unerheblich ist der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Ob der Tatbestand vollständig verwirklicht ist, richtet sich allein nach den jeweiligen Vorschriften des Steuerrechts, nicht nach dem Insolvenzrecht. Bei Lieferungen erst in dem Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht; bei der (Werk-)Lieferung eines Bauwerks i.d.R. mit dessen Abnahme, wenn keine Teilleistungen vorliegen. Auch ob Teilleistungen vorliegen, bestimmt sich allein nach USt-Recht (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG). Ob die Werklieferung zivilrechtlich aufgrund der Erfüllungswahl "auf unterschiedlichen Grundlagen" beruht und deshalb teilbar ist (so BGH), ist umsatzsteuerrechtlich unerheblich, wenn es sich nicht auch umsatzsteuerrechtlich um Teilleistungen handelt.
Ist- und Sollbesteuerung sind im UStG kombiniert: Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG entsteht bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG) die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Das gilt auch für Teilleistungen. Sie liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist (Anzahlung), so entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist.
Auch § 17 UStG (Minderung der Bemessungsgrundlage) kombiniert "Ist"-Elemente mit der Sollversteuerung. Werden Leistungen (umsatzsteuerrechtlich) erst nach Insolvenzeröffnung erbracht, liegen Masseverbindlichkeiten jedenfalls insoweit vor, als das Entgelt hierfür nicht bereits vorher gezahlt worden ist und umsatzsteuerrechtlich als Anzahlung bereits vor Ausführung der Leistung der Besteuerung unterlag.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 30.4.2009, V R 1/06, BFH/NV 2009 S. 1728