Leitsatz
- Der Sicherungsgeber führt mit der Übereignung beweglicher Gegenstände zu Sicherungszwecken unter Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 930 BGB) noch keine Lieferung an den Sicherungsnehmer gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, § 3 Abs. 1 UStG aus. Zur Lieferung wird der Übereignungsvorgang erst mit der Verwertung des Sicherungsguts, gleichgültig, ob der Sicherungsnehmer das Sicherungsgut dadurch verwertet, dass er es selbst veräußert, oder dadurch, dass der Sicherungsgeber es im Auftrag und für Rechnung des Sicherungsnehmers veräußert.
- Veräußert der Sicherungsgeber das Sicherungsgut an einen Dritten, liegt ein Dreifachumsatz (Veräußerung für Rechnung des Sicherungsnehmers) erst vor, wenn aufgrund der konkreten Sicherungsabrede oder aufgrund einer hiervon abweichenden Vereinbarung die Verwertungsreife eingetreten ist (Änderung der Rechtsprechung).
Problematik
Eine Bank ließ sich für das einem Teppichhändler (H) gewährte "Allzweck-Darlehen" das Warenlager übereignen. H konnte die Waren im normalen Geschäftsgang verkaufen und vom Erlös neue Ware einkaufen, die wiederum vom Raumsicherungsvertrag erfasst waren. Bei Vorliegen eines wichtigen (Kündigungs-)Grunds für das Darlehen konnte die Bank nach vorheriger Androhung das Sicherungsgut verwerten.
Im Streitjahr 1999 stimmte die Bank einem Ausverkauf zur Umstrukturierung mit der Maßgabe zu, dass der Erlös zur Rückführung des Darlehens verwendet wird. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde mangels Masse abgelehnt.
Das FA ging von einer Verwertung für Rechnung der Bank aus. Das FG bestätigte dies.
Entscheidung des BFH
Zwar lag nach der zwischen der Bank (Klägerin) und dem Bankkunden zunächst vereinbarten Sicherungsabrede noch keine Verwertungsreife vor. Denn insoweit fehlte es noch an der im Sicherungsvertrag ausdrücklich vereinbarten vorherigen Androhung mit Nachfristsetzung zur Verwertung. Im Streitfall hatten die Bank und Bankkunde sich jedoch über einen Sonderausverkauf zur Umstrukturierung unter der Bedingung geeinigt, dass der Verkaufserlös an die Bank abzuführen war und damit die Verwertung für Rechnung der Bank geregelt.
Konsequenzen für die Praxis
Die Übereignung von Waren zu Sicherungszwecken ist noch keine Lieferung. Zu einer Lieferung kommt an den Sicherungsnehmer (im Folgenden: Bank) kommt es erst, wenn die das Sicherungsgut für Rechnung der Bank verwertet wird. Verwertet die Bank im eigenen Namen, liegt ein sog. Doppelumsatz vor: Der Sicherungsgeber (im Folgenden: Bankkunde) liefert an die Bank und die Bank an den Dritten.
Verwertet nicht die Bank das Sicherungsgut, sondern überlässt dessen Verwertung für Rechnung der Bank dem Bankkunden (Sicherungsgeber), sind – auch – die Grundsätze des Kommissionsgeschäfts maßgebend. Der Bankkunde verkauft an den Dritten (Lieferung). Beim Verkauf von Kommissionsgut durch den Kommissionär (Bankkunde) im eigenen Namen aber für Rechnung des Kommittenten (Bank) an einen Dritten liefert der Bankkunde an den Dritten. Gleichzeitig – weil die nun die Verwertung für Rechnung der Bank erfolgt – erstarkt die Sicherungsübereignung umsatzsteuerrechtlich zu einer Lieferung der Waren vom Bankkunden an die Bank. Gleichzeitig erfolgt eine Rücklieferung der Bank an den Bankkunden. Allgemeinen Regeln entsprechend ist die Bank aus der Lieferung vom Bankkunden an sie, die Bank, zum Vorsteuerabzug berechtigt. Der Bankkunde wiederum kann die Vorsteuer aus der (Rück-)Lieferung der Bank an ihn abziehen, sodass im Ergebnis nur die Lieferung an den Dritten zur Besteuerung führt. Dies setzt aber eine zutreffende Abrechnung voraus. Diese umsatzsteuerrechtliche Besonderheit beim Kommissionsgeschäft, die bei der Verwertung von Sicherungsgut für Rechnung des Sicherungsnehmers (Bank) zum Dreifachumsatz führt, wird bei der Abrechnung leicht übersehen.
Der Dreifachumsatz konnte nach der bisherigen Rechtsprechung schon aufgrund der bloßen Veräußerung des Sicherungsguts und Weiterleitung des Verkaufserlöses an die Bank gegeben sein. Die Entscheidung des BFH sorgt nun für Klarheit: Zu einem Doppel- und Dreifachumsatz kann es nur kommen, wenn die Verwertung aufgrund der Verwertungsreife für Rechnung der Bank erfolgt.
Ob Verwertungsreife eingetreten ist, hängt i.d.R. von den Vereinbarungen des konkreten Sicherungsvertrags ab. Veräußert der Bankkunde im Rahmen der Sicherungsabrede zur Sicherheit übereignete Waren im laufenden Geschäftsverkehr und führt er aus dem Erlös sein Darlehen zurück, liegt nur eine einfache Lieferung des Bankkunden an den Dritten, seinen Kunden, vor.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 23.7.2009, V R 27/07, BFH/NV 2009 S. 2070