Verschärfte Haftung
Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen der Haftung des Gläubigers, der vom Schuldner zu Unrecht eine Leistung verlangt, und der Haftung des Schuldners, der zu Unrecht eine Leistung verweigert. Der Schuldner darf das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage nicht dem Gläubiger zuschieben und haftet selbst bei anwaltlicher Beratung. Das macht eine interessante Entscheidung des OLG Hamm deutlich.
Der zögerliche Eigentümer
Ein vormaliger Erbbauberechtigter eines Wohnungseigentums nimmt den Eigentümer des mit dem Erbbaurecht belasteten Anwesens auf Schadensersatz in Anspruch. Dieser hatte über längere Zeit – trotz oder wegen der Beratung durch seinen Anwalt – seine Zustimmung zu der beabsichtigten Veräußerung eines Erbbaurechts verweigert. Die Zustimmung musste schließlich nach § 7 ErbbauRG gerichtlich ersetzt werden. Der Kläger ist der Auffassung, der Grundstückseigentümer sei aufgrund der verweigerten Zustimmung wegen positiver Vertragsverletzung des Erbbaurechtsvertrags schadensersatzpflichtig. Ihm sei aufgrund der weiteren Bedienung seiner für die Immobilie aufgenommenen Darlehen ein Zinsschaden entstanden. Erst die Berufung gegen das erstinstanzliche klageabweisende Urteil hatte Erfolg.
Schadensersatz
Das OLG Hamm sprach dem Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280, 286, 278 BGB i. V. m. § 7 Abs. 1 ErbbauRG zu. Indem der Beklagte die geschuldete Zustimmung zur Veräußerung des Erbbaurechts nicht erteilte, sondern diese gerichtlich ersetzt werden musste, hat er schuldhaft seine Pflicht aus dem Erbbaurechtsverhältnis verletzt.
Zurechnung des Anwaltsverschuldens
Der Beklagte muss sich insoweit das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Die pflichtwidrige Verweigerung der Zustimmungserklärung erfolgte jedenfalls fahrlässig. Für ein Verschulden seines Rechtsanwalts und Vertreters hat der Beklagte in gleichem Umfang einzustehen wie für eigenes Verschulden, § 278 Satz 1 BGB. Er hat die Verschuldensvermutung der §§ 280 Abs. 1 Satz 2, 286 Abs. 4 BGB nicht widerlegt. Zwar mögen – so das Gericht – die zu klärenden Rechtsfragen, welche im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Abgabe der begehrten Zustimmungserklärung standen bzw. stehen, komplex und in ihrer Behandlung in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum nicht einheitlich gewesen sein. Dies entlastet den Beklagten und den von ihm zur Prüfung beauftragten Rechtsanwalt jedoch nicht von ihrer rechtlichen Fehleinschätzung.
Kein unverschuldeter Rechtsirrtum
Das Gericht verweist insoweit auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (etwa NJW 2014 S. 2717). Danach fordert der Geltungsanspruch des Rechts, dass der Verpflichtete grundsätzlich das Risiko eines Irrtums über die Rechtslage selbst trägt. Daher stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung in diesen Fällen an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums seit jeher strenge Anforderungen. Der Schuldner darf das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage nicht dem Gläubiger zuschieben. Entscheidet er sich bei einer unsicheren Rechtslage dafür, die von ihm geforderte Leistung nicht zu erbringen, geht er – von besonderen Sachlagen abgesehen – das Risiko, dass sich seine Einschätzung später als falsch erweist, zumindest fahrlässig ein und hat deshalb seine Nichtleistung zu vertreten, wenn er – wie in einem späteren Rechtsstreit festgestellt wird – zur Leistung verpflichtet war.
Fazit
Die Verweigerung einer geschuldeten Leistung – und sei es einer bloßen Willenserklärung – will gut überlegt sein.
(OLG Hamm, Urteil v. 19.11.2015, 5 U 74/15, NJOZ 2016 S. 459)