Leitsatz (amtlich)
Wird ein Gesellschaftsanteil gegen abgekürzte Leibrente veräußert und entscheidet sich der Steuerpflichtige für die Sofortversteuerung des Veräußerungsgewinns, so stellt der Tod des Rentenberechtigten vor dem Ende der Laufzeit der Rente kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung dar.
Sachverhalt
Streitig ist, ob im Fall der Veräußerung eines Anteils an einer Steuerberatersozietät gegen abgekürzte Leibrente bei Wahl der Sofortversteuerung des Veräußerungsgewinns der Tod des Rentenberechtigten vor dem Ende der Höchstlaufzeit der Rente zur Herabsetzung des Veräußerungsgewinns entsprechend der tatsächlich gezahlten Rentenbeträge führt oder ob der für den Veräußerer ermittelte Übergangsgewinn - entsprechend der gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilung - auch ihm oder nur dem die Praxis Fortführenden zuzurechnen ist. Klage und Revision des Klägers blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
Wird eine zweigliedrige Personengesellschaft dadurch beendet, dass ein Gesellschafter stirbt, und führt der andere Gesellschafter das Unternehmen allein fort, so handelt es sich, wenn der Übernehmer an die Erben des verstorbenen Gesellschafters eine Abfindung zu zahlen hat, steuerlich um die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils. Ermittelte die Gesellschaft ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, so ist sie zur Feststellung der für die Berechnung des Veräußerungsgewinns erforderlichen Buchwerte so zu behandeln, als wäre sie im Augenblick des Todes des einen Gesellschafters (Veräußerung) zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG übergegangen. Der hierbei infolge der Zurechnung noch nicht beglichener Honorarforderungen entstehende Übergangsgewinn ist dem verstorbenen Gesellschafter und dem Übernehmer entsprechend dem gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen.
Der bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns als Veräußerungspreis angesetzte Rentenbarwert war nach dem Tod des Ehegatten der Gesellschafterin F - M - nicht neu zu berechnen. Der Tod des Rentenberechtigten vor Ablauf der Höchstlaufzeit einer abgekürzten Leibrente ist kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, das eine Neuberechnung des Rentenbarwerts als Veräußerungspreis i.S. von § 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG erforderlich macht. Der Große Senat hat entschieden, dass es für die Frage, ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, allein auf die jeweils einschlägigen materiell-rechtlichen Bestimmungen ankommt. Er hat dabei als Veräußerungspreis i.S. von § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG den Preis angesehen, den der Veräußerer tatsächlich erzielt. Diese Ausführungen sind allerdings nicht dahin zu verstehen, dass als Veräußerungspreis stets nur der Betrag angesetzt werden darf, den der Veräußerer bzw. sein Rechtsnachfolger erhalten hat. Der Große Senat hat vielmehr nur solchen später eintretenden Umständen Bedeutung für
die Berechnung des Veräußerungsgewinns beigemessen, die sich als Störungen der Abwicklung des Veräußerungsgeschäfts in dem Sinne darstellen, dass der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises nicht erfüllt. Beim vorzeitigen Ableben des Rentenberechtigten handelt es sich nicht um eine Störung des Veräußerungsgeschäfts. Die Beschränkung der Laufzeit einer Rente durch den Tod des Rentenberechtigten ist ein bereits im Veräußerungsgeschäft berücksichtigter, dem Veräußerungspreis immanenter Umstand, der vom Veräußerer bewusst als den Veräußerungspreis begrenzender Faktor hingenommen wird. Will der Veräußerer sicherstellen, dass seine Rechtsnachfolger den vollen Gegenwert des von ihm übertragenen Vermögens erhalten, so darf er das Erlöschen des Rentenanspruchs nicht vom Tod des unmittelbaren Rechtsnachfolgers abhängig machen, sondern muss auf einem Erlöschen erst beim Tod eines weiteren oder gar mehrerer weiterer Rechtsnachfolger bestehen. Lässt er sich auf ein Erlöschen schon beim Tod des unmittelbaren Rechtsnachfolgers ein, so konkretisiert sich durch dieses Ereignis nur das Wagnis, das er als Inhalt des Veräußerungsgeschäfts akzeptiert hat.
Link zur Entscheidung
BFH vom 19.8.1999 - IV R 67/98