Leitsatz
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass bei Übertragung verpachteter bzw. vermieteter (Gewerbe-)Immobilien unter Fortführung des Pacht- bzw. Mietvertrags durch den Erwerber eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG vorliegt.
Sachverhalt
Eine Immobiliengesellschaft erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom Dezember 1998 u.a. mehrere Läden und trat in die zwischen dem Verkäufer und den Ladeninhabern bestehenden Miet- und Pachtverhältnisse ein. Der Kaufpreis wurde im Januar 1999 bezahlt; zu diesem Zeitpunkt gingen auch Nutzen und Lasten über. Die Gesellschaft machte für 1999 die im Kaufvertrag ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug, weil es sich beim Verkauf der Objekte jeweils um nicht steuerbare Geschäftsveräußerungen i.S. von § 1 Abs. 1a UStG gehandelt habe. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren lehnten Finanzamt und -gericht die beantragte Aussetzung der Vollziehung ab.
Entscheidung
Auch der BFH verneinte das Vorliegen ernstlicher Zweifel i.S.v. § 69 Abs. 3 FGO hinsichtlich der Beurteilung, dass bei der Veräußerung verpachteter bzw. vermieteter (Gewerbe-)Immobilien unter Fortführung der Pacht- bzw. Mietverträge durch den Erwerber eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG vorliegt. Er verwies insbesondere auf das EuGH-Urteil vom 27.11.2003, wonach der Begriff "Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt", die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils erfasst, der jeweils materielle und gegebenenfalls immaterielle Bestandteile umfasst, die zusammen genommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der durch die Übertragung Begünstigte muss jedoch beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln sowie eventuell den Warenbestand zu verkaufen.
Praxishinweis
Mit dieser zum "vorläufigen Rechtsschutzverfahren" veröffentlichten Entscheidung will der BFH deutlich machen, wie weit der Rahmen der nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG inzwischen als gefestigt anzusehen ist. Darunter fällt jede Betriebs- bzw. Teilbetriebsveräußerung an einen Erwerber, der im Zeitpunkt der Veräußerung die Absicht hat, den erworbenen Betrieb fortzuführen oder mit den erworbenen Betriebsmitteln ein Unternehmen zu betreiben. Es muss nicht der identische Betriebszweig weitergeführt werden.
Entscheidend ist letztlich für die Beurteilung im Zeitpunkt der Veräußerung, dass der Veräußerer anhand objektiver Anhaltspunkte nachweisen kann, dass der Erwerber nicht die Absicht hat, den erworbenen Betrieb zu "filetieren", also ihn nur abzuwickeln und die Gegenstände zu versilbern oder einzeln für Zwecke eigener anderweitiger Unternehmenstätigkeit zu verwenden oder damit einen Konkurrenten insgesamt aus dem Markt zu nehmen. Dieser Nachweis kann für den Veräußerer manchmal schwer zu führen sein, da er nicht in den Erwerber hinein sehen kann. Um – umsatzsteuerrechtlich – sicher zu gehen, empfiehlt sich wohl die Aufnahme einer Umsatzsteuerklausel in den Vertrag, wonach der Erwerber eine gegebenenfalls dem Veräußerer vom Finanzamt nachträglich angelastete Umsatzsteuer zu tragen hat.
Geht der Veräußerer andererseits nach seinen Erkenntnissen – aber nach der objektiven Sachlage unzutreffend – davon aus, dass keine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vorliegt, und weist er deshalb in der Rechnung gesondert Umsatzsteuer aus, schuldet er die Steuer gem. § 14c Abs. 1 Satz 3 UStG mit der erschwerten Berichtigungsmöglichkeit nach § 14c Abs. 2 UStG.
Link zur Entscheidung
BFH-Beschluss vom 1.4.2004, V B 112/03