Leitsatz
Veräußert ein Steuerpflichtiger Gesellschaftsanteile gezielt im Hinblick auf eine bevorstehende gesetzliche Herabsetzung der Wesentlichkeitsgrenze des § 17 Abs. 1 EStG und tritt die Gesetzesänderung wie erwartet ein, kann er sich – beim Scheitern einer rechtzeitigen Anteilsübertragung – nicht auf Vertrauensschutz berufen.
Sachverhalt
Ein Steuerpflichtiger hat mit notariellen Verträgen vom 18. und 21.12.1998 im Privatvermögen gehaltene Anteile an der X-GmbH veräußert. Der Steuerpflichtige war zunächst zu unter 25 % an der GmbH beteiligt. Nach der Anteilsveräußerung vom 18.12.1998 war er zu über 10 % sowie nach der weiteren Anteilsveräußerung vom 21.12.1998 nur noch zu unter 10 % beteiligt. Im Vertrag vom 21.12.1998 ist – wie auch im Vertrag vom 18.12.1998 – geregelt, dass der Geschäftsanteil mit sofortiger unmittelbarer dinglicher Wirkung übertragen und abgetreten wird, ferner, dass alle mit dem übertragenen Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten, insbesondere das Gewinnbezugsrecht, mit Wirkung vom 1.1.1999 auf die Erwerberin übergehen, das Gewinnbezugsrecht für das Geschäftsjahr 1998 also beim Veräußerer verbleibt. Der jeweilige Kaufpreis für die übertragenen Anteile wurde im Jahr 1998 bezahlt. Finanzamt und FG erfassten den Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG im Jahr 1999.
Der BFH gibt dem Finanzamt Recht und entscheidet, dass das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Anteilen erst im Jahr 1999 auf den jeweiligen Erwerber übergegangen ist. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten5 Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Wesentlich ist eine Beteiligung für Veräußerungsvorgänge ab dem Veranlagungszeitraum 1999 ab einer Quote von 10 %, für Veräußerungsvorgänge davor ab einer Quote von mehr als 25 %. Bei welcher Anteilshöhe eine wesentliche Beteiligung anzunehmen ist, bestimmt sich nach der im Zeitpunkt der Veräußerung geltenden Gesetzeslage. Eine Veräußerung i.S. von § 17 EStG wird mit der Übertragung des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auf den Erwerber verwirklicht. Der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums ist davon abhängig, welche Rechtspositionen bzw. faktischen Einflussnahmemöglichkeiten noch im Jahr 1998 übergegangen sind. Die Auslegung des FG, wonach alle mit dem Anteil verbundenen Rechte und Pflichten, auch das Gewinnbezugsrecht im Jahr 1998 noch beim Steuerpflichtigen verbleiben sollten, ist jedenfalls möglich und bindet insoweit den BFH.
Der Steuerpflichtige kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Er hat seine Anteile gerade im Hinblick auf die sich abzeichnende und in der Fachliteratur vielfach besprochene Herabsenkung der Wesentlichkeitsgrenze i.S. von § 17 Abs. 1 EStG veräußert. Dass seine bewusst auf die Gesetzesänderung abgestimmte Gestaltung aus rechtstechnischen Gründen gescheitert ist, ändert daran nichts.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss v. 9.10.2008, IX R 73/06.