Leitsatz (amtlich)

Gewährt eine deutsche Kapitalgesellschaft ihrer ausländischen Enkelgesellschaft ein Darlehen zu einem unüblich niedrigen Zins, so sind ihre Einkünfte auch dann nach § 1 AStG zu berichtigen, wenn die Einkünfte der Enkelgesellschaft bei ihrer deutschen Muttergesellschaft nach Maßgabe der §§ 7 ff. AStG hinzugerechnet werden. Eine Doppelbesteuerung ist dann in der Weise zu vermeiden, dass bei der Ermittlung der Zwischeneinkünfte der Muttergesellschaft eine Gegenberichtigung vorgenommen wird (Bestätigung von Tz. 1.5.2 des BMF-Schreibens vom 23.2.1983, BStBl I1983, S. 218).

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine KG, hielt in den Streitjahren (1986 bis 1989) sämtliche Anteile an der F-GmbH. Die F-GmbH war alleinige Gesellschafterin der B-AG mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz. Die Klägerin hatte in den Streitjahren Darlehensforderungen gegenüber der B-AG, die mit 4% pro Jahr verzinst wurden. Dieser Zinssatz entsprach nicht dem damaligen Marktzins. Hieraus ergaben sich Differenzbeträge von 155 170 DM (1986), 258 355 DM (1987), 40 163 DM (1988) und 670 554 DM (1989). Das Finanzamt rechnete diese Beträge dem Einkommen der Klägerin gemäß § 1 AStG hinzu. Bei der vom FG beigeladenen F-GmbH wurden im Rahmen einer Hinzurechnung nach § 7 AStG Gegenberichtigungen vorgenommen und die genannten Beträge abgezogen. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab[1]. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Die Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG scheitert nicht daran, dass die B-AG in den Streitjahren passive Einkünfte i.S. des § 8 Abs. 1 AStG erzielt hat, die bei der Besteuerung der Beigeladenen gemäß § 7 AStG als Zwischeneinkünfte hinzugerechnet worden sind. Der Klägerin ist allerdings zuzugeben, dass die unüblich niedrige Verzinsung des der B-AG gewährten Darlehens sich bei der B-AG gewinnerhöhend auswirkte. Bei Vereinbarung eines üblichen Zinssatzes hätte sich für die B-AG ein höherer Zinsaufwand ergeben; ihre Einkünfte wären entsprechend niedriger ausgefallen. Dadurch hätten sich zugleich die passiven Einkünfte der B-AG vermindert, die ihrerseits bei der Beigeladenen der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen wurden. So gesehen wird der der B-AG eingeräumte Zinsvorteil bei der Besteuerung der Beigeladenen steuererhöhend erfasst, während er zugleich bei der Besteuerung der Klägerin - ebenfalls steuererhöhend - korrigiert wird. Im Ergebnis erfolgt mithin eine doppelte steuerliche Verlagerung von im Ausland - von der B-AG - erzielten Einkünften ins Inland, die weder wirtschaftlich sachgerecht ist noch dem Zweck des Gesetzes entspricht.

Nach Ansicht des BMF ist § 1 AStG uneingeschränkt auch auf Geschäftsbeziehungen eines Steuerpflichtigen zu Zwischengesellschaften i.S. der §§7 bis 14 AStG anzuwenden[2]. Der Gefahr einer Überbesteuerung soll in der Weise begegnet werden, dass bei der Ermittlung der hinzurechnungspflichtigen Einkünfte der Zwischengesellschaft eine Gegenberichtigung vorgenommen wird. So ist das Finanzamt im Streitfall verfahren.

Demgegenüber wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum die Ansicht vertreten, dass § 1 AStG gegenüber den §§ 7ff. AStG zurücktreten müsse[3]. Der Senat muss im vorliegenden Verfahren den genannten Meinungsstreit nicht abschließend und für alle denkbaren Gestaltungen entscheiden. Jedenfalls ist in der im Streitfall vorliegenden Konstellation, in der die Anwendung des § 7 AStG einerseits und des § 1 AStG andererseits gegenüber verschiedenen Rechtssubjekten erfolgt, für einen Vorrang des § 7 gegenüber § 1 AStG kein Raum. Denn sowohl bei der Frage nach einer "Minderung der Einkünfte" als auch im Hinblick auf das Vorliegen einer Doppelbesteuerung kann nur auf das jeweilige einzelne Steuersubjekt abgestellt werden. Dies folgt aus dem Grundsatz der Individualbesteuerung, nach dem alle den Bereich der Einkunftserzielung berührenden Umstände jeweils nur bei demjenigen Steuersubjekt berücksichtigt werden können, das sie in Person verwirklicht hat[4]. Hieraus ergibt sich für den Streitfall, dass bei der Frage nach der Anwendbarkeit des § 1 AStG allein auf die Verhältnisse der Klägerin abzustellen ist. Dieser gegenüber ist aber eine Hinzurechnung nach § 7 AStG nicht erfolgt und deshalb weder die Minderung der Einkünfte i.S. des § 1 Abs. 1 AStG beseitigt worden noch eine Doppelbesteuerung eingetreten. Adressatin der Hinzurechnungsbesteuerung war allein die Beigeladene, deren Verhältnisse indessen im vorliegenden Verfahren außer Betracht bleiben müssen.

Vor diesem Hintergrund kann in der hier vorliegenden Situation eine effektive Überbesteuerung nicht durch einen Verzicht auf die Anwendung des § 1 AStG, sondern letztlich nur im Billigkeitswege[5] vermieden werden. Das ist im Streitfall dadurch geschehen, dass das Finanzamt die Hinzurechnung gegenüber der Beigeladenen im Wege der Gegenberichtigung um den Korrekturbetrag nach § 1 AStG gemindert hat.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 19.3.2002 – I R 4/01

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