Leitsatz (amtlich)
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob bei Zugrundelegung des EuGH-Urteils vom 27.6.1996, Rs. C-107/94 "Asscher" (IStR 1996, 329) der in § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG bestimmte Mindeststeuersatz für beschränkt Steuerpflichtige mit dem Diskriminierungsverbot in Art. 52ff. EGV (= Art. 43ff. EGV i.d.F. des Vertrages von Amsterdam) vereinbart werden kann.
Sachverhalt
Die Antragstellerin ist Niederländerin mit Wohnsitz in den Niederlanden. Sie erzielte dort im Streitjahr 1998 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von 75 676 hfl. In Deutschland war sie an einer GbR beteiligt und erklärte Einkünfte aus dieser Beteiligung von 33 257 DM. Das Finanzamt setzte die ESt 1998 unter Berücksichtigung des Mindeststeuersatzes von 25 % des Einkommens gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG fest. Über den dagegen gerichteten Einspruch ist noch nicht entschieden. Dem nach Ablehnung durch das Finanzamt beim FG gestellten Antrag, den angefochtenen Bescheid auszusetzen, gab das FG statt. Die dagegen vom Finanzamt erhobene Beschwerde blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Wie der EuGH entschieden hat, stellt es eine nach Art. 52ff. EGV verbotene mittelbare Diskriminierung dar, wenn auf bestimmte Gebietsfremde ein höherer Einkommensteuersatz angewandt wird, als er für Gebietsansässige und diesen gleichgestellte Personen gilt. Im Urteilsfall betraf dies einen Gebietsfremden, der in den Niederlanden selbständig tätig war, jedoch in Belgien wohnte und dort einer beruflichen Erwerbstätigkeit nachging. Der EuGH sah eine Ungleichbehandlung darin, dass der Betreffende mit seinen in den Niederlanden erzielten Einkünften einem Steuersatz von 25 % unterworfen wurde, während eine vergleichbare Person mit Wohnsitz in den Niederlanden einem Steuersatz von nur 13 % unterliegt.
Diese Ausgangssituation stimmt mit der überein, die sich im Streitfall für die Antragstellerin stellt: Auch sie ist in einem Mitgliedstaat - der Bundesrepublik - beruflich tätig und wohnt in einem anderen Mitgliedstaat, den Niederlanden. Sie erwirtschaftet dort Einkünfte, mit denen sie der Besteuerung nach dem Einkommen unterfällt. Abweichend von unbeschränkt steuerpflichtigen Personen, die in der Bundesrepublik ansässig sind, wird sie mit ihren hier erzielten Einkünften einem besonderen Mindeststeuersatz von 25 % unterworfen, der höher ist als jener von nur 17,43 %, der für unbeschränkt Steuerpflichtige gilt. Die vom EuGH als gemeinschaftsrechtswidrig angesehene mittelbare Diskriminierung durch Anwendung unterschiedlicher und belastender Steuersätze ist damit gegeben.
Diese Diskriminierung kann - jedenfalls bei summarischer Prüfung - nicht mit einer sonst bestehenden höheren Steuerprogression für einen Inländer mit entsprechend hohem Welteinkommen gerechtfertigt werden.
Der Senat folgt damit im vorläufigen Verfahren den Bedenken, die im Schrifttum gegenüber der Vereinbarkeit des Mindeststeuersatzes in § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG mit dem Gemeinschaftsrecht geäußert worden sind. Sie rechtfertigen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, ohne dass in diesem Eilverfahren eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen wäre.
Link zur Entscheidung
BFH-Beschluss vom 5.2.2001 – I B 140/00